LAG Berlin-Brandenburg: Internetzugang für Betriebsrat II


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Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte über einen Internetzugang eines Betriebsrates zu entscheiden. Darüber hatte ich bereits berichtet. Den ursprünglichen Artikel finden Sie hier. Nun ist das Urteil veröffentlicht worden. Neu an dem Urteil ist, dass Arbeitgeber nun regelmäßig einen Internetzugang zu gewähren haben werden.

Etwas anderes kann nach Auffassung des Gerichts nur gelten, wenn wichtige Belange des arbeitgebers dem entgegenstehen. Dies könnten zusätzliche Ksoten für den Internetzugang sein.

Aus dem Urteil bearbeitet und gekürzt:

Leitsatz:
Der Zugang zum Internet als allgemein genutzte, umfassende Informationsquelle ist regelmäßig als erforderlich für die Betriebsratstätigkeit i. S. d. § 40 Abs. 2 BetrVG anzusehen, es sei denn, berechtigte Interessen des Arbeitgebers rechtfertigen ausnahmsweise eine andere Beurteilung. Welche konkreten Aufgaben der Betriebsrat wahrnimmt, ist dabei ohne Belang.

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten in dem Beschwerdeverfahren über die Verpflichtung der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin, dem Betriebsrat Zugang zum Internet zu verschaffen.

Die Arbeitgeberin betreibt Baumärkte. Antragsteller ist der erstmals für die Filiale T. gebildete, aus drei Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Er verfügt über einen Personalcomputer mit Netzwerkanschluss, mit dem er an das unternehmensweite Intranet angeschlossen ist und E-Mails versenden und empfangen kann. Einen Zugang zum Internet hat der Betriebsrat im Gegensatz zur Marktleitung nicht. In der Filiale T. werden ca. 50 Mitarbeiter beschäftigt.

Der Betriebsrat hat mit dem am 7. Mai 2007 eingeleiteten Beschlussverfahren u.a. geltend gemacht, ihm müsse ein Zugang zum Internet zur Verfügung gestellt werden. Das Internet stelle eine wichtige Informationsquelle dar, die zudem von der Arbeitgeberin in den betriebsverfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen genutzt werde. Der Internetanschluss führe zu keinen weiteren Kosten für die Arbeitgeberin; es sei lediglich erforderlich, den Personalcomputer durch die zentrale EDV-Abteilung freizuschalten. Die Arbeitgeberin ist dem Antrag entgegengetreten. Der Betriebsrat benötige einen Zugang zum Internet, der zu einer erheblichen Kostenbelastung führe, nicht. Durch die Vernetzung mit dem Intranet könne es zu erheblichen Störungen durch Viren und Störprogrammen kommen.

Entscheidungsgünde:

Das Arbeitsgericht hat die Arbeitgeberin zu Recht verpflichtet, dem Betriebsrat den geforderten Zugang zum Internet zu verschaffen.

1. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat nach § 40 Abs. 2 BetrVG für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Büropersonal sowie Informations- und Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat hat dabei zu prüfen und zu entscheiden, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung seiner Aufgaben erforderlich und deshalb vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Er darf sich dabei nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten, sondern er muss bei seiner Entscheidungsfindung die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigen; dabei sind die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts sowie die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der entstehenden Kosten gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen. Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit eines verlangten Sachmittels unterliegt der arbeits-gerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel auf Grund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft, sondern auch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt hat. (…)

2. Dass das Internet zu den sachlichen Mitteln der Informationstechnik i.S.d. § 40 Abs. 2 BetrVG gehören kann, hat das Bundesarbeitsgericht in den genannten Entscheidungen vom 23. August 2006 und 3. September 2003 anerkannt. Der Betriebsrat sei zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben darauf angewiesen, sich laufend und aktuell über arbeitsrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung zu informieren. Die Informationen könne sich der Betriebsrat nicht allein durch Unterrichtung in den einschlägigen Gesetzen oder deren Erläuterungen in Kommentaren verschaffen. Vielmehr sei er auch auf Veröffentlichungen angewiesen, in denen diese Themen nach neustem Stand fachlich dargestellt werden. Gleichwohl dürfe der Betriebsrat nicht den Zugang zu jeder Informationsquelle verlangen, die sich mit seiner gesetzlichen Aufgabenstellung befasse, sondern es müsste eine sachgerechte Abwägung der Belange beider Betriebsparteien stattfinden. Dabei komme es auf die konkreten betrieblichen Verhältnisse an. Der Betriebsrat könne in diesem Zusammenhang nicht geltend machen, das Internet sei allgemein verbreitet; dies sage nichts über die Notwendigkeit aus, das Internet zur Bewältigung der Betriebsratsarbeit zu nutzen. Auch komme es nicht ohne weiteres darauf an, ob der Arbeitgeber das Internet nutze, weil sich die Aufgaben von Geschäftsleitung und Betriebsrat nicht deckten; nur wenn sich die Aufgaben von Arbeitgeber und Betriebsrat berührten, könne der Einsatz moderner Kommunikationsmittel auf Arbeitgeberseite Einfluss auf die dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellenden Sachmittel haben. Die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 BetrVG bringe es nicht notwendigerweise mit sich, dass der Betriebsrat sich im Internet tagesaktuell über Gesetzesänderungen und neue Vorschriften unterrichten müsse. Schließlich deuteten betriebsverfassungsrechtliche Auseinandersetzungen zwischen ihm und der Arbeitgeberin nicht darauf hin, dass der Betriebsrat einen Internetzugang benötige; denn der Betriebsrat könne sich – jedenfalls in gerichtlichen Angelegenheiten – eines Rechtsanwalts zur Vertretung seiner Interessen bedienen.

3. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Arbeitgeberin über einen Internetzugang verfügt und die im Unternehmen befindlichen, durch ein Intranet vernetzten Personalcomputer durch einfaches Freischalten Zugang zum Internet erhalten können. Dies gilt auch für den Personalcomputer, der dem Betriebsrat von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt worden ist. Ferner ist davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin durch einen Internetanschluss des Betriebsrats nicht mit zusätzlichen Kosten belastet würde. Die Arbeitgeberin hat die hierdurch entstehenden Kosten schon erstinstanzlich nicht näher bezeichnet; sie hat die Feststellung des Arbeitsgerichts, es entstünden durch die Internetnutzung keine „relevanten Kosten“, in der Beschwerdeinstanz nicht angegriffen. Bei diesen konkreten betrieblichen Verhältnissen durfte der Betriebsrat den geforderten Zugang zum Internet nach Auffassung der Beschwerdekammer für erforderlich halten, ohne dass es auf die sich ihm derzeit stellenden Aufgaben ankam.

Der Gesetzgeber hat dem Betriebsrat bereits in § 80 Abs. 1 BetrVG umfangreiche allgemeine Aufgaben aus den unterschiedlichsten arbeitsrechtlicher, aber auch gesellschaftspolitischer Bereichen zugewiesen. Ferner hat der Betriebsrat die gesetzlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 87 ff., 92 ff., 106 ff. BetrVG) wahrzunehmen. Diese Aufgaben kann der Betriebsrat nur sachgerecht wahrnehmen, wenn er über die erforderlichen Informationen verfügt. Das Internet stellt in diesem Zusammenhang eine Informationsquelle dar, die an Aktualität und Vielseitigkeit nicht zu überbieten ist. So werden alle rechtlichen Entwicklungen im Internet durch die Gesetzgebungsorgane und die verschiedenen Gerichte dargestellt; auch kann die Tätigkeit der relevanten staatlichen und privaten Institutionen, die über einen Internetauftritt verfügen, nachvollzogen und zur Gewinnung von Informationen genutzt werden. Nicht zuletzt können durch das Internet Sachinformationen zu jedem nur denkbaren Themenbereich bezogen werden. Diese Nutzungsmöglichkeiten werden durch die im Internet zur Verfügung stehenden Suchmaschinen optimiert. Durch sie wird der Betriebsrat in die Lage versetzt, sich zielgerichtet zu informieren; er ist – wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 3. September 2003 (7 ABR 8/03) festgestellt hat – nicht auf Zufallsfunde in Zeitschriften oder Zeitungen, veralteten Kommentierungen oder längere Zeit zurückliegenden Gerichtsentscheidungen angewiesen. Das Internet gibt dem Betriebsrat damit die Möglichkeit, seine Aufgaben effizient und kompetent zu verfolgen und so für eine qualifizierte Verwirklichung der Betriebsverfassung Sorge zu tragen. Die Bedeutung des Internets für die Betriebsratsarbeit erschöpft sich dabei nicht auf die Bearbeitung konkret anstehender betrieblicher Fragestellungen. Die Entscheidung des Betriebsrats, ob und in welcher Weise er sich einer bestimmten gesetzlichen Aufgabe annehmen will, hängt naturgemäß von dem im Betriebsrat vorhandenen Kenntnisstand und dem dadurch hervorgerufenen Problembewusstsein ab. Beide können durch die Nutzung des Internets in besonderer Weise hervorgerufen oder gestärkt werden kann; sie ist dann der konkreten Tätigkeit des Betriebsrats in einer bestimmten Angelegenheit vorgelagert. Es ist daher nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht gerechtfertigt, die Nutzung des Internets durch den Betriebsrat jeweils davon abhängig zu machen, welche konkreten Aufgaben derzeit vom Betriebsrat bereits bearbeitet werden. Auch kommt es nicht darauf an, ob und in welcher Weise der Arbeitgeber das Internet nutzt und ob der Betriebsrat rechtliche Informationen auch durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts erlangen kann. Der Zugang zum Internet als allgemein genutzte, umfassende Informationsquelle ist vielmehr regelmäßig als erforderlich für die Betriebsratstätigkeit i.S.d. § 40 Abs. 2 BetrVG anzusehen, es sei denn, berechtigte Interessen des Arbeitgebers rechtfertigen ausnahmsweise eine andere Beurteilung.

Die von der Arbeitgeberin im vorliegenden Fall genannten Gründe sind nicht geeignet, dem Betriebsrat den geforderten Zugang zum Internet zu verwehren. Dabei ist zu bemerken, dass sich die Arbeitgeberin nicht gegen die Nutzung des Internets durch den Betriebsrat wendet, sondern nur einen ständigen Zugriff zum Internet nicht für erforderlich hält; gerade diesen sieht die Beschwerdekammer jedoch – wie ausgeführt – als notwendig für die Betriebsratsarbeit an. Der Einwand der Arbeitgeberin, der Betriebsrat könne das Internet außerhalb des Betriebes nutzen, geht dabei fehl. Der Betriebsrat kann von dem Arbeitgeber verlangen, dass er ihm die erforderlichen Sachmittel zur Verfügung stellt; er muss sich nicht darauf verweisen lassen, einen in der Öffentlichkeit vorhandenen Internetanschluss bzw. den eines seiner Mitglieder zu nutzen. Der Gefahr technischer Störungen durch den betrieblichen Internetzugang des Betriebsrats kann die Arbeitgeberin auf die gleiche Weise wie bei den übrigen im Unternehmen vorhandenen Internetanschlüssen begegnen. Dass zudem die abstrakte Möglichkeit besteht, dass Mitglieder des Betriebsrats den Internetzugang zu anderen Zwecken als die Betriebsratsarbeit nutzen und dabei auch nicht gewünschte Inhalte aufrufen, rechtfertigt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Es ist vielmehr mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Betriebsrat das Internet ausschließlich zur Erfüllung seiner Aufgaben nutzen wird. Ansonsten könnte dem Betriebsrat – worauf bereits das Arbeitsgericht in seinem angefochtenen Beschluss zu Recht hingewiesen hat – jede Informations- und Kommunikationstechnik verweigert werden, weil stets die Möglichkeit der missbräuchlichen Nutzung besteht. Der Arbeitgeberin entstehen schließlich weder durch das Freischalten des Internets für den Betriebsrat noch durch die spätere Nutzung des Internets Kosten, die der Betriebsrat zugunsten der Arbeitgeberin hätte berücksichtigen müssen. Die Entscheidung des Betriebsrats, einen Internetzugang durch Freischalten des bereits überlassenen Personal-computers zu erhalten, hält nach alledem der gerichtlichen Kontrolle stand. (…)

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