BAG: Betriebsbedingte Kündigung und freie Unternehmerentscheidung


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Das Bundesarbeitsgericht BAG) hat entschieden 2 AZR 1037/06, dass es der freien Unternehmerentscheidung entspricht, wenn ein Arbeitgeber eine Sparte aus seinem Betrieb einstellt. Wenn daraufhin das Beschäftigungsverhältnis eines Arbeitnehmers entfällt dann ist dieser ordentlich kündbar.


Betriebsbedingte Gründe, die eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG rechtfertigen, liegen vor, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfällt. Das ist ua dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den Betrieb reorganisiert und nach dem neuen Konzept die bisherige Tätigkeit nicht mehr anfällt. Die Umgestaltung wird als sog. freie Unternehmerentscheidung von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre organisatorische oder betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit überprüft, sondern allein darauf, ob sie willkürlich oder sonst missbräuchlich erfolgt ist. Entschließt sich der Arbeitgeber, bisher von Arbeitnehmern ausgeübte Tätigkeiten in Zukunft nicht mehr durch Arbeitnehmer, sondern durch selbständige Unternehmer ausführen zu lassen, so entfällt in diesem Umfang das bisherige Beschäftigungsbedürfnis für Arbeitnehmer und ein betriebsbedingter Kündigungsgrund liegt vor.

Der Kläger im heute vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war ein sog. „Moskito-Anschläger“. Als „Moskitos“ werden Klapprahmen bezeichnet, die zB an Schaltkästen im öffentlichen Raum befestigt sind und in die Werbeplakate eingespannt werden. Die Beklagte, ein Unternehmen der Städtewerbung, beschäftigte den Kläger bis zur Kündigung im Arbeitsverhältnis. Im Jahre 2004 entschloss sie sich aus wirtschaftlichen Erwägungen, die Anschläge nicht mehr durch eigene Arbeitnehmer anbringen zu lassen. In einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich war festgelegt, dass den als „Moskito-Anschlägern“ beschäftigten Arbeitnehmern gekündigt und eine Beschäftigung als selbständige Unternehmer angeboten werden sollte. Gegen die ihm wie den übrigen Plakatanschlägern nach Abschluss des Interessenausgleichs erklärte fristgerechte Kündigung hat sich der Kläger gewandt.

Die Klage blieb  wie schon in den Vorinstanzen  auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Die von der Beklagten vorgenommene Neuordnung war nicht willkürlich oder sonst missbräuchlich. Für sie sprachen nachvollziehbare Erwägungen. Die den bisher als Arbeitnehmern beschäftigten „Moskito-Anschlägern“ angebotenen Verträge sind keine Arbeitsverträge. Die nach diesen Verträgen für die Beklagte Tätigen unterliegen nicht dem für Arbeitsverhältnisse kennzeichnenden Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Ort und Art und Weise der Arbeitsleistung. Außerdem müssen sie die Leistungen nicht in Person erbringen, sondern können sie auch durch Dritte (zB Arbeitnehmer) erbringen lassen.

Nach Pressemitteilung Nr. 22/08 – Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. März 2008 – 2 AZR 1037/06 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 20. Oktober 2006 – 11 Sa 979/05 –

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Ein Gedanke zu “BAG: Betriebsbedingte Kündigung und freie Unternehmerentscheidung”

  1. Der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 13. März 2008 (…) in der Sache 2 AZR 1037/06 eine Entscheidung gefällt, welche die Entlassung von Arbeitnehmern (hier eines Moskitoanschlägers) immer dann rechtfertigt, wenn die Firma die Tätigkeiten von Arbeitnehmern an Subunternehmer lukrativer weiter vergeben kann (das ist eigentlich immer der Fall), womit die genannten Herren die bisherige Rechtssprechung des BAG auf den Kopf stellen.

    Waren die „Subunternehmer“ in der Ankündigung zur vorliegenden Revisionsverhandlung noch in Anführungszeichen gesetzt worden, so fehlen die Anführungszeichen in der sofort nach Verkündung des Urteils veröffentlichten Pressemitteilung des BAG (Nr. 22/08).

    Doch nicht nur die Anführungszeichen bei den neuen „Subunternehmern“ des Monopolbetreibers der ‚Moskitos‘ (das sind Wechselrahmen an Schaltschränken zum Plakataushang) fehlen. Es fehlt – was bereits jetzt in der Pressemitteilung erkennbar ist – die logische Stringenz in diesem Urteil. So enthält die obenstehende Pressemitteilung des BAG eine vom BAG selbst in seiner Vorankündigung zum Prozess widerlegte Falschmeldung.

    In der Pressemitteilung heißt es, dass „in einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich (..) festgelegt (war), dass den als „Moskito-Anschlägern“ beschäftigten Arbeitnehmern gekündigt und eine Beschäftigung als selbständige Unternehmer angeboten werden sollte.“

    Dieser Satz ist nachweislich falsch, was schon aus der Ankündigung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfahren 2 AZR 1037/06 (s.v. ‚Termine‘) hervorgeht, wo es hieß: „Nach Anhörung des (widersprechenden) Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. Juli 2004 zum 31. August 2004.“

    Die aktenkundige Widerlegung der Behauptung, dass der „mit dem Betriebsrat vereinbarte Interessenausgleich“ ein Angebot an den „Moskito-Anschläger“ zur „Beschäftigung als selbständiger Unternehmer“ vorgesehen habe, liegt dann im Widerspruch des Betriebsrats selbst:

    Dieser trägt die Überschrift „Stellungnahme des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung des Mitarbeiters Herrn G. S. – WIDERSPRUCH“ mit Datum vom 26. Juli 2004 und befindet sich in den Akten des BAG.

    Mit dieser Ungereimtheit wird sich auch der Berichterstatter in vorliegendem Fall (…) in seiner schriftlichen Urteilsbegründung noch auseinandersetzen müssen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. des. Gerhard Straehle

    P.S.: Der Unterzeichnende war Kläger in vorliegendem Fall. (…)

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