Eine Bewerbung bei einem anderen Unternehmen stellt keinen Kündigungsgrund dar


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Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 05.03.2013, 5 Sa 106/12 entschieden, dass die Bewerbung bei einem anderen Unternehmen keinen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung darstellt.
Ein Arbeitnehmer hatte sich bei einer städtischen Gesellschaft beworben. Da er einer der aussichtsreichen Kandidaten war, hatte er sich, obwohl er arbeitsunfähig erkrankt war,  vor der Bürgerschaft vorgestellt. Durch einen Presseartikel über seine Vorstellung hatte der derzeitige Arbeitgeber von dieser Bewerbung erfahren. Der alte Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis ordentlich sowie auch außerordentlich. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgegeben.

Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet (bearbeitet und gekürzt):

Kein pflichtwidriges Verhalten durch Bewerbung

(…) Nach der Lage des Rechtsstreits zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger sich durch seine Vorstellung in der Bürgerschaft der Hansestadt A-Stadt während seiner Arbeitsunfähigkeit am 22. August 2011 nicht pflichtwidrig verhalten.

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer hat während seiner Ausfallzeit durch sein eigenes Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass er die Phase der Arbeitsunfähigkeit möglichst zügig überwindet. Das bedeutet aber nicht, dass er stets nur das Bett zu hüten hat, oder jedenfalls die eigene Wohnung nicht verlassen sollte. Vielmehr ist auf die je vorliegende Krankheit abzustellen, um ermessen zu können, welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit untersagt sind.

Im vorliegenden Falle hat der Kläger, was von der Beklagten nicht bestritten wurde, während der hier streitigen Arbeitsunfähigkeit an einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit seines rechten Arms gelitten, die auf einen eingeklemmten Nerv zurückzuführen war. Der Kläger trägt ohne Widerspruch der Beklagten vor, ärztlicherseits sei ihm nur angeraten worden, den rechten Arm nicht zu belasten. Damit ist nicht erkennbar, weshalb es dem Kläger verboten sein sollte, sich in der Bürgerschaft der Hansestadt während der Arbeitsunfähigkeit für den von ihm angestrebten Posten vorzustellen. (…)

Der Auftritt des Klägers in der Bürgerschaft während seiner Arbeitsunfähigkeit kann daher weder als genesungswidriges Verhalten noch als Arbeitsverweigerung gewertet werden.

Der Auftritt des Klägers in der Bürgerschaft und die damit in Zusammenhang stehenden Umstände können die Kündigung auch nicht unter anderen Gesichtspunkten rechtfertigen.

Da der Auftritt des Klägers in der Bürgerschaft dem Umstand geschuldet war, dass sich der Kläger auf eine andere Stelle in leitender Position beworben hatte, hat das Gericht auch geprüft, ob die Kündigung unter dem Gesichtspunkt des Abkehrwillens begründet sein könnte. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen des Willens des Arbeitsnehmers zur Abkehr vom Arbeitsverhältnis liegen jedoch nicht vor.

Abkehrwille rechtfertigt Kündigung nicht

Ein von einem Arbeitnehmer gezeigter Abkehrwille rechtfertigt nicht ohne weiteres die Kündigung. Solange der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erfüllt, kann es ihm grundsätzlich nicht vorgeworfen werden, dass er sich nach einem anderen Arbeitsfeld umschaut. Artikel 12 Grundgesetz (GG) gewährt dem Arbeitnehmer die freie Arbeitsplatzwahl (Preis in Staudinger § 626 BGB Randnummer 126). Eine Kündigung kann daher allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten im alten Arbeitsverhältnis zu Gunsten seiner zukünftigen Tätigkeit vernachlässigt oder wenn der Arbeitgeber die Chance hat, für den abkehrwilligen Arbeitnehmer eine andere Person einzustellen.

Beides liegt hier nicht vor. (…)

Verhaltensbedingte Kündigung

Die ordentliche Kündigung ist auch nicht aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt.

Ähnlich wie die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB (siehe oben unter I.) setzt eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Absatz 2 KSchG eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus, die an sich geeignet ist, die Kündigung sozial zu rechtfertigen. Außerdem muss auch die ordentliche Kündigung das letzte Mittel sein, um auf das aufgetretene Problem zu reagieren, sinnvolle mildere Mittel, die das Problem auch behoben hätten, führen zur Unwirksamkeit der Kündigung. Und schließlich gibt es auch bei der verhaltensbedingten Kündigung eine abschließende Interessenabwägung, die – allerdings nur in Ausnahmefällen – zu einem Überwiegen der Arbeitnehmerinteressen führen kann.

Gemessen an diesem Maßstab trägt keiner der von der Beklagten vorgetragenen Gründe die ausgesprochene Kündigung.

Bereits oben  wurde festgestellt, dass der Kläger mit seinem Auftritt in der Bürgerschaft nicht gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat. Demnach können diese Umstände auch nicht die ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen.

Auch der Umstand, dass der Kläger die Beklagte nicht vorab über den Termin in der Bürgerschaft unterrichtet hat, stellt sich nicht als Pflichtverletzung dar. Es gibt keine arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitnehmers, seinen Arbeitgeber davon zu unterrichten, wenn er sich anderweitig beworben hat. (…)

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