Mit Kopftuch zum BAG


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Diese Chance hat jetzt eine Lehrerin aus NRW. Das Landesarbeitsgericht Hamm – 11 Sa 280/08 und 11 Sa 815/08 – hatte sich mit der Frage zu beschäftigen ob Abmahnung und Kündigung wegen eines Verstoßes gegen das Kopftuchverbot wirksam sind. Das Gericht geht von der Wirksamkeit aus, hat aber die Revision an das Bundesarbeitsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zugelassen.


Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Abmahnung und nachfolgenden Kündigung, die das beklagte Land ausgesprochen hat, weil die als Lehrerin angestellte Klägerin während des von ihr erteilten Unterrichts ein Kopftuch getragen hat.
Die 1977 geborene Klägerin ist seit September 2001 beim beklagten Land als Lehrerin beschäftigt. Sie unterrichtet muttersprachlichen Unterricht in türkischer Sprache, an dem ausschließlich Schüler islamischer Religionsausrichtung teilnehmen.
Im August 2006 teilte der Schulleiter der Klägerin mit, dass das Tragen eines Kopftuchs während des Unterrichts mit der Neufassung des § 57 Abs. 4 Schulgesetz NRW nicht vereinbar sei. Die Klägerin hielt daran fest, während des Unterrichts ein Kopftuch zu tragen. Das beklagte Land mahnte das Verhalten der Klägerin unter dem 21.11.2008 schriftlich ab und sprach sodann mit Schreiben vom 20.02.2007 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2007 aus. Der zuvor beteiligte Personalrat stimmte der Kündigung zu.
Mit ihren Klagen wendet sich die Klägerin gegen die Rechtswirksamkeit der Abmahnung und Kündigung.

Argumente der Lehrerin:
Sie ist der Auffassung, das Tragen eines Kopftuches verstoße nicht gegen § 57 Abs. 4 Schulgesetz NRW, weil es nicht geeignet sei, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Sie sei eine hoch angesehene Lehrerin, deren Unterricht, Auftreten und äußeres Erscheinungsbild zu keinerlei Beanstandungen Anlass gegeben habe. § 57 Abs. 4 Schulgesetz NRW verstoße gegen Artikel 4 Abs. 1 GG und sei mit § 7 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht vereinbar. Außerdem leide das Gesetz an einem Vollzugsdefizit. Das Tragen der Ordenstracht oder der jüdischen Kippa werde nämlich nicht als religiöse Bekundung angesehen.

Argumente des Landes:
Das beklagte Land ist der Meinung, das Tragen des Kopftuches gefährde und störe die Neutralität des Landes und des Schulfriedens. Es könne der Eindruck hervorgerufen werden, dass die Trägerin eines Kopftuches gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Art. 3 GG, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich demokratische Grundordnung auftrete. So sei teilweise mit dem Tragen des Kopftuchs die Annahme verbunden, die Trägerin befürworte eine fundamentalistische Einstellung und setze sich für ein theokratisches Staatswesen ein. Nicht von Bedeutung sei es, ob es zu konkreten Störungen gekommen sei. Ein Vollzugsdefizit liege nicht vor. Das Tragen einer Ordenstracht sei mit der christlich abendländischen Kultur, die das Grundgesetz präge, vereinbar.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts:
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerin zurückgewiesen. Kündigung und vorausgehende Abmahnung seien wirksam.
Die Klägerin habe gegen eine Verhaltensregel verstoßen. Das Land sei Schülern sowie Eltern zur Neutralität verpflichtet. Die Bestimmung des im Jahr 2006 neu geschaffenen § 57 Abs. 4 Schulgesetz NRW verbiete es, diese Neutralität dadurch zu stören oder zu gefährden, dass Lehrerinnen oder Lehrer in der Schule religiöse, politische oder weltanschauliche Bekundungen abgäben. Dagegen habe die Klägerin verstoßen, indem sie ein Kopftuch während des Unterrichts getragen habe. § 57 Abs. 4 Schulgesetz NRW sei ein abstrakter Gefährdungstatbestand. Es komme daher nicht darauf an, dass die im Übrigen gut beurteilte Lehrerin durch das Tragen des Kopftuchs den Grundsatz staatlicher Neutralität konkret gestört habe. Alleine die abstrakte Gefahr reiche aus.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 57 Abs. 4 Schulgesetz NRW bestünden nicht. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits im Jahr 2003 entschieden, dass dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsspielraum eröffnet sei, um den Grundsatz staatlicher Neutralität zu gewährleisten. Er könne auch zu einer restriktiven Handhabung greifen, wie es in Nordrhein-Westfalen geschehen sei.

Nach Pressemitteilungen des Landesarbeitsgerichts Hamm.

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