Und wieder außerordentliche Kündigung einer Kassiererin


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Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts – 9 Sa 1075/08 – kann eine Kassiererin fristlos gekündigt werden, wenn diese in erheblichem Umfang unberechtigt Kundeneinkäufe über ihre Kundenbonuskarte abgerechnet hat.

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine über 50 Jahre alte Mitarbeiterin war seit über 20 Jahren als Kassiererin in einem Kaufhaus beschäftigt. Sie und ihre Tochter waren im Besitz von Kundenbonuskarten, die der Arbeitgeber an seine Kunden herausgibt. Die Käufer können sich bei jedem Einkauf Punkte (ein Cent pro Euro) in der Weise gutschreiben lassen, dass der Wert des Einkaufs auf ihre Karte eingescannt wird. Die Punkte können in Form von Einkaufsgutscheinen – auch bei dem Arbeitgeber und angeschlossenen Partnerunternehmen – eingelöst werden. Der Arbeitgeber kündigte seiner Mitarbeiterin fristlos vorsorglich fristgemäß, weil diese im Zeitraum von 13 Monaten unberechtigt Kundeneinkäufe im Warenwert von über € 20.000,00 auf ihre Kundenbonuskarte und im Wert von mehr als € 13.000,00 auf die Karte ihrer Tochter eingegeben hatte. Die Mitarbeiterin erhob Kündigungsschutzklage. Sie behauptete, bei ihrem Arbeitgeber sei es üblich und geduldet gewesen, dass Mitarbeiter Punkte von Kunden auf ihre eigenen Bonuskarten buchen. Der Arbeitgeber habe es versäumt, diese Praxis durch eine ausdrückliche Anweisung zu ändern.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Auch das Hessische Landesarbeitsgericht hat die fristlose Kündigung für wirksam erachtet. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen sei darin zu sehen, dass die Mitarbeiterin die Einkäufe von Kunden in erheblichem Umfang auf ihre und ihrer Tochter Kundenbonuskarten gebucht habe.

Vollendete oder auch nur versuchte Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers seien grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu stützen Das Bonussystem stelle ein Kundenbindungssystem und Anreiz zu Folgekäufen für die Kunden dar. Die Mitarbeiter seien nicht berechtigt, die Kundenpunkte auf ihre Kundenkarten zu buchen. Dass die Mitarbeiterin solche Buchungen in großem Umfang vorgenommen habe, habe sie in dem Personalgespräch eingeräumt und ihr sei auch die Widerrechtlichkeit ihres Handelns bewusst gewesen, da sie in diesem Gespräch erklärt habe, sie ginge nicht davon aus, dass ihr die Punkte zustünden.

Von einer Duldung dieser Vorgehensweise durch den Arbeitgeber sei nicht auszugehen. Selbst wenn andere Kassiererinnen derartige unberechtigte Buchungen ebenfalls vorgenommen hätten, konnte die klagende Mitarbeiterin keinen Vorgesetzten oder Entscheidungsträger nennen, der von dieser Praxis gewusst oder sie gar geduldet habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den EDV-Ausdrucken, da der Arbeitgeber auf die datenmäßige Erfassung der gutgeschriebenen Punkte weder Einfluss noch Zugriff habe und insofern auf die Informationen der die Abrechnung durchführenden Konzerngesellschaft angewiesen sei. Eine Duldung dieser Praxis setzte indessen voraus, dass der Arbeitgeber von dieser Praxis der Kassiererinnen Kenntnis gehabt habe und nicht eingeschritten sei.

Eine vorherige Abmahnung sei aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich gewesen.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts gehe auch die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Mitarbeiterin aus. Ihre langjährige Beschäftigungsdauer und ihr Lebensalter mit den damit verbundenen Schwierigkeiten, wieder einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden, würden zwar schwer wiegen. Angesichts der Nachhaltigkeit, mit der sie über einen längeren Zeitraum im erheblichen Umfang Tag für Tag widerrechtliche Manipulationen vorgenommen habe, des damit verbundenen Vertrauensmissbrauchs und der Erschütterung des Glaubens an ihre Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit überwiegen jedoch die Arbeitgeberinteressen an der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Hess. LAG, Urteil vom 11. Dezember 2008 – 9 Sa 1075/08
Vorinstanz: Arbeitsgericht Frankfurt am Main vom 2. Mai 2008 – 22 Ca 25654/07

Quelle: Pressemitteilung des Hessischen LArbG Nr. 5/09 vom 27. Februar 2009

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2 Gedanken zu “Und wieder außerordentliche Kündigung einer Kassiererin”

  1. Hallo Herr Felsmann,

    die außerordentliche Kündigung der oben genannten Kassiererin ist für mich völlig nachvollziebar.
    Ich habe aber in einem schweizer Magazin von einem Fall gelesen, bei dem einer Versicherungsmitarbeiterin, die wg. Migräne krank geschrieben war, gekündigt wurde, weil sie in Ihrer Krankheit auf Facebook gesurft hatte.
    Ist solch ein Fall auch in Deutschland denkbar?
    Besten Dank für Ihre Bemühungen.

  2. Das ist eine interessante Frage …

    Ich vermute, dass der Sachverhalt – wie so häufig – nur sehr verkürzt dargestellt worden ist.

    Die Rechtmäßigkeit einer Kündigung die alleine auf den Umstand von 20 Minuten surfen während einer Krankheit halte ich für nicht gegeben.
    Aber undenkbar ist eigentlich gar nichts – vor Gericht und auf hoher See …

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