LAG Schleswig-Holstein: Schmerzensgeld wegen Mobbing


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Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – 3 Sa 001/02 – hat ein Urteil zum Thema Schmerzensgeld bei Mobbing gefällt. Das Gericht geht von einer hohen Hürde für die Substantiierung des Vortrages des gemobbten aus. Der gemobbte muss ein Vorgehen mit System nachweisen.

Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Die Klägerin ist am …..1947 geboren und seit 1992 als Pflegekraft bei der Stadt X beschäftigt, davon seit ca. 5 Jahren im Alten- und Pflegeheim in der Sch.. In diesem Heim ist die Beklagte als Stationsschwester, jetzt Wohnbereichsleiterin genannt, tätig. Die Beklagte war bis Mai 2001 unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin. Im Mai 2001 wurde die Klägerin auf eine andere Station versetzt. Seit Februar 2002 ist sie arbeitsunfähig erkrankt.
Die Klägerin fühlt sich von der Beklagten gemobbt und meint, die Beklagte schulde ihr deswegen ein Schmerzensgeld von mindestens DM 5.000. Sie hat vorgetragen, die Beklagte habe sie seit mindestens Frühjahr 2000 bis Ende April 2001 ständig schikaniert und „gemobbt“. Dadurch sei sie schwer erkrankt. Sie leide an einer schweren chronifizierten reaktiven Depression. Im Übrigen sei sie in ihrem Persönlichkeitsrecht und in ihrer Ehre verletzt worden. Die Klägerin hat folgende – z.T. strittige – Vorfälle zur Begründung ihres Vorwurfs vorgetragen:
– Okt. 2000: Geburtstagskuchen der Klägerin sei in der Küche in eine Ecke gestellt worden und vertrocknet. – 16.11.2000: PC-Eintrag der Klägerin über Blutergüsse einer Heimbewohnerin sei gelöscht worden. – 12.12.2000: Die Beklagte habe der Klägerin ohne Grund eine Pampers aus der Hand gerissen. – 17./18.12.2000: Die Mitarbeiterinnen Bl. und D. hätten der Klägerin nicht Lagerungshilfe geleistet. – 14.1.2001: Die Klägerin habe im Frühdienst nicht Lagerungshilfe erhalten. – 16.1.2001: Die Beklagte habe zur Klägerin, die sie wegen des Urlaubsplanes angesprochen habe, gesagt: „Ich bespreche gar nichts mehr mit dir“. Weiter habe sie zu ihr gesagt: ,,Was machst Du hier schon? Was tust Du hier schon für uns?“ – 4.4.2001: Die Klägerin fühlte sich von der Beklagten diskriminiert, die ihr vorgehalten hatte, sie habe nur 2 Heimbewohner gewaschen.
– 7.4.2001: Die Beklagte sei hinter der Klägerin hergelaufen, habe sie mit dem Ellbogen geschubst und gefragt, wozu sie ein Zwischenzeugnis brauche. – 7./8.4.2001: Die Beklagte habe Kollegen der Station 1 aufgefordert, einen Antrag auf Versetzung der Klägerin zu unterzeichnen. (…)

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.11.2001 die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihre gesundheitlichen Beschwerden auf einer unerlaubten Handlung der Beklagten beruhten. Die von der Klägerin eingereichte ärztliche Bescheinigung vom 4.7.2001 könne entsprechenden Vortrag nicht ersetzen. Sie enthalte lediglich das wertende Ergebnis, dass die Depression der Klägerin im Zusammenhang mit einer beruflichen Konfliktsituation entstanden sei, ohne die Ursächlichkeit zu belegen. Es komme aber in Betracht, dass die Erkrankung durch andere innere oder äußere Ursachen entstanden sei. Eine Umkehr der Beweislast könne nicht angenommen werden. Auch aus dem Gesichtspunkt des „Mobbings“ könne die Klägerin nicht ein Schmerzensgeld fordern. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung ergebe sich aber nicht aus dem Vortrag der Klägerin. (…)

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg.
Die Klägerin hat nicht Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in entspre-chender Anwendung des § 847 BGB. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederho-lungen auf die detaillierten und sorgfältigen Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.
Auch mit der Berufung hat die Klägerin nicht substantiiert Tatsachen vorgetragen, die einen Schmerzensgeldanspruch begründen können. Das Vorbringen der Klägerin kann weder für einzelne Taten den Tatbestand einer Ehrverletzung noch für alle des „Mobbings“ begründen.
Der Begriff des Mobbings stellt für sich gesehen nicht eine Anspruchsgrundlage dar. Vielmehr handelt es sich bei „Mobbing“ um ein soziales Phänomen, das es schon immer in der Arbeitswelt gegeben hat, das aber in den letzten Jahren vermehrt in den Blick der Allgemeinheit getreten ist. Der Begriff des Mobbing beschreibt eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vor-gesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßens aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Es ist einerseits erforderlich, dass sich das Verhalten gegen eine oder mehrere bestimmte Personen richtet und andererseits, dass das Verhalten systematisch erfolgt. Das bedeutet, es muss sich aus einer Kette von Vorfällen ein System erkennen lassen.
Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen kann den Begriff des „Mobbings“ erfüllen. Vielmehr ist es dem Zusammenarbeiten mit anderen Menschen immanent, dass sich Reibungen und Konflikte ergeben, ohne dass diese Ausdruck des Ziels sind, den Anderen systematisch in seiner Wertigkeit gegenüber Dritten oder sich selbst zu verletzen.
Die ausführliche Anhörung beider Parteien in der Berufungsverhandlung hat nicht zu dem Ergebnis geführt, dass etwaige Meinungsverschiedenheiten zwischen Beiden auf „Mobbing“ der Beklagten beruhen. Eine systematische Vorgehensweise der Beklagten in dieser Richtung ist nicht erkennbar. Deutlich ist dabei jedoch geworden, dass die Klägerin sich von der Beklagten verfolgt und gezielt benachteiligt fühlt. Dass dies berechtigt ist, ist aber nicht erkennbar geworden. Dabei kann die Klägerin sich nicht auf Beweiserleichterungen wegen des behaupteten Mobbings berufen. Zuvor ist nämlich erforderlich, dass sie zumindest substantiiert Tatsachen behauptet, die auf das Vorliegen von Mobbing schließen lassen. Auch kann die Klägerin nicht damit gehört werden, sie sei früher gesund gewesen, was zeige, dass die Erkrankungen auf die Verhältnisse am Arbeitsplatz zurückzuführen seien. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus dieser zeitlichen Abfolge noch nicht, dass andere Ursachen ausgeschlossen sind. Dabei hatte das Arbeitsgericht den Hinweis auf das Scheitern einer privaten Beziehung lediglich beispielsweise gebracht. Dass andere denkbare Ursachen (z.B. altersbedingte) ausscheiden, hätte die Klägerin darlegen müssen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, andere mögliche Ursachen zu nennen.
Bei einer Betrachtung der von der Klägerin behaupteten Vorfällen ergibt sich, diese als wahr unterstellt, dass das Vorliegen eines „Mobbings“ nicht feststellbar ist. Im Einzelnen ist hierzu anzumerken, wobei auch auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen wird:
– Ostern 2000 „Frau Mi.“: Inwiefern ein – strittiges – Befragen nach dieser Kollegin Bestandteil eines gegen die Klägerin gerichteten „Mobbings“ sein soll, ist nicht nachvollziehbar.
– 07/2000 „Pinocchio“: Eine derartige Äußerung wäre mit Sicherheit rücksichtslos und unangemessen ge-wesen, kann aber nicht eine tiefgreifende Verletzung der Klägerin begründen, die zu einem Schmerzensgeldanspruch führt.
– 10/2000 „Geburtstagskuchen“: Inwieweit die Klägerin ursächlich dafür gewesen sein soll, dass der Kuchen nicht ge-gessen wurde, ist nicht dargelegt.
– 16.11.2000 „PC-Eintrag“: Die Klägerin hat nicht einmal konkret behaupten können, dass die Beklagte den be-haupteten Eintrag gelöscht hat. Sie hat lediglich zum Ausdruck gebracht, ein Anderer könne es nicht gewesen sein, der Beklagten traue sie das zu.
– 12.12.2000 „Pampers“: Selbst wenn die Beklagte der Klägerin eine Windel aus der Hand gerissen haben sollte, spricht dies nicht für eine systematische Diskriminierung. Vielmehr deutet der von der Klägerin geschilderte Ablauf darauf hin, dass die Beklagte die Klägerin zu schnellerer Arbeit anspornen wollte, wenn auch die – strittige – Art überzogen gewesen sein mag.
– 17./18.12.2000 „Lagerungshilfe“: Hier hat die Anhörung der Klägerin ergeben, dass sie einerseits meint, mit diesen Mitarbeiterinnen habe sie „die Hölle“ (wörtlich erklärt) gehabt, andererseits von der Beklagten erwartet hatte, dass sie diesen Mitarbeiterinnen die Weisung erteilte, Lagerungshilfe zu gewähren. Dabei ist nicht erkennbar, dass die Klägerin jemals auf die Beklagte zugekommen wäre, um Hilfe gegen die beiden Kolleginnen zu erhalten oder dass sie sie gebeten hätte, die Beiden zu einer entsprechenden Hilfestellung anzuweisen.
– 14.1.2001 „Lagerungshilfe im Frühdienst“: Auch hier ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Beklagte um Hilfe gebeten hätte.
– 16.1.2001 „Urlaubsplanung“: Hierzu ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht nachvollziehbar, was sie beanstanden will. Soweit es sich um die Lage des Erholungsurlaubs gehandelt ha-ben sollte, hätte sie, sofern eine innerbetriebliche Klärung nicht erzielt werden konnte, die Personalvertretung bemühen oder notfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch neh-men können.
– 4.4.2001 „Waschen von 2 Heimbewohnern“: Hier ist deutlich geworden, dass die Klägerin sich dadurch diskriminiert fühlte, weil der Vorhalt in einer Dienstbesprechung erfolgte. Ob die Klägerin tatsächlich mehr Bewohner versorgt hat, kann dahingestellt bleiben, da jedenfalls eine Diskriminierung durch einen Vorhalt in einer Dienstbesprechung nicht erkennbar ist. Dass die Beklag-te sich dabei im Ton vergriffen hätte, ist nicht behauptet.
– 7.4.2001 „Frage nach dem Zwischenzeugnis“: Hier wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Die Klägerin hat zwar in ihrer Anhörung erklärt, das Schubsen mit dem Ellbogen habe auch ge-schmerzt, andererseits hat sie aber bekundet, sie sei der Beklagten ausgewichen. Dass die Beklagte in der Absicht gehandelt haben sollte, der Klägerin Schmerzen zuzufügen, ist nicht dargelegt. Das – strittige – Verhalten mag zwar unangemessen sein, kann aber auch nicht als Bestandteil eines systematischen benachteiligenden Handels erkannt werden.
– 7./8.4.2001 „Versetzungsantrag“: Auch hierzu wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.
– ohne Datum „Hinweis auf langsames Arbeiten“: Hier kann ohne Einzelheiten nicht beurteilt werden, ob dieser behauptete wiederholte Hinweis der Beklagten unberechtigt war.
– ohne Datum „Frühdienst“: Hier ist nicht ersichtlich, dass eine unterlassene Benachrichtigung der Klägerin und eine Frage, was die Klägerin denn wolle, Bestandteil eines systematischen Vorge-hens gewesen sein könnte. Dass Änderungen in Dienstplänen gelegentlich versehentlich nicht dem Betroffenen mitgeteilt werden, kann als fehlerhafte Arbeitsleistung des Vorgesetzten vorkommen.
– ohne Datum „minderwertige Arbeiten“ „schlechtes Licht“: Dies hat die Klägerin nicht erläutert.
Zusammenfassend ist zu bemerken, dass sich das Arbeitsverhältnis aus Sicht der Klägerin zwar als unerträglich darstellt, dass aber nicht erkennbar ist, ob dieser Ein-druck der Klägerin auf Verhalten der Beklagten beruht oder vielmehr auf Verhalten Dritter oder in der Person der Klägerin liegende Ursachen zurückzuführen ist. Auch eine Gesamtschau des von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalts lässt nicht den Schluss auf eine systematische Vorgehensweise der Beklagten mit dem Ziel, die Klägerin auszustoßen, zu.

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