Anrechnung von Krankenhausverpflegung im SGB XII


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Bis vor kurzem war es einhellige Meinung, dass bei Menschen, die sich im Bezug von Leistungen nach dem  SGB XII befinden, die Krankenhausverpflegung im Falle des Krankenhausaufenthaltes angerechnet wurde. Bei einem Krankenhausaufenthalt wurde ihnen die Regelleistung wegen abweichender Bedarfsfestsetzung bis auf den Barbetrag von 98,28 EUR gemäß § 27a Abs. 3 SGB XII, § 27b Abs. 2 SGB XII gekürzt.

Einen anderen Weg beschreitet nun ein sehr begrüßenswertes Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.06.2011; Az: S 20 SO 54/10.

Solange die Frage nicht endgültig geklärt ist – gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt – ist Menschen, die im  Bezug von Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII  sind, und bei denen das Grundsicherungsamt eine Kürzung für die Zeit vornimmt, in denen sie im Krankenhaus sind oder waren, zu raten Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht Nürnberg ausgeführt (bearbeitet und gekürzt):

(…) Nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. werden die Bedarfe abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Entgegen dem missverständlichen Gesetzeswortlaut betrifft die Vorschrift die abweichende Bemessung des dem Leistungsberechtigten zustehenden Regelsatzes: Eine (anderweitige) Deckung des Bedarfes setzt denknotwendig das Vorliegen eines entsprechenden Bedarfs voraus.
Jedoch liegen die Vorraussetzungen für eine Anwendung des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII nicht vor. Denn auch ein unter Umständen längerer Aufenthalt eines Hilfebedürftigen in einem Krankenhaus rechtfertigt für sich allein nicht eine abweichende Festlegung des Regelsatzes. (…)

Ausgehend von der beschriebenen gesetzgeberischen Konzeption ist allein der Umstand, dass sich ein Leistungsberechtigter nach dem SGB XII (vorübergehend) in einem Krankenhaus aufhält, nicht geeignet, eine abweichende Festsetzung des (pauschalen) Regelsatzes nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. (jetzt § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII) zu begründen. Denn wie ausgeführt orientiert sich die Bemessung des Regelsatzes am durchschnittlichen monatlichen Bedarf eines Leistungsempfängers nach dem SGB XII. Eine Anwendung des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. kommt somit nur in Betracht, wenn ein Sachverhalt vorliegt, demzufolge der durchschnittliche (individuelle) Bedarf des Leistungsempfängers nachweisbar vom durchschnittlichen Bedarf, der dem Regelsatz zu Grunde liegt, abweicht. Im vorliegenden Fall hat das Gericht aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Regelsatz des Klägers infolge des Krankenhausaufenthaltes im Zeitraum 25. März 2009 bis 4. Juni 2009 abweichend individuell festzusetzen wäre. Es geht vielmehr davon aus, dass in den zur Bemessung der Regelsätze herangezogenen Haushalten unterer Einkommensgruppen in ähnlichem Umfang wie bei Leistungsberechtigten nach dem SGB XII Krankenhausaufenthalte anfallen. Damit haben aber die hierdurch bedingten Mehrausgaben oder Einsparungen über die statistisch erfassten Verbrauchsausgaben bereits Eingang in die Bemessung der Regelsätze gefunden. Eine darüber hinausgehende Absenkung (oder auch Anhebung) des dem Leistungsberechtigten zustehende Regelsatzes für die Zeiten eines (vorübergehenden) Krankenhausaufenthalts ist daher nicht gerechtfertigt. Sie stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu der gesetzgeberischen Intention, mit der Gewährung des pauschalen Regelsatzes den Leistungsempfängern nach dem SGB XII ein selbstverantwortliches, selbstbestimmtes und vorausschauendes Haushalten zu ermöglichen.

Inwieweit § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. grundsätzlich Fälle erfassen kann, in denen der Leistungsberechtigte von Dritten unentgeltlich Essen erhält (vgl. BT-Drucks. 15/1514, S. 59), lässt das Gericht dahingestellt. Eine Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. könnte aber z.B. in Betracht kommen, wenn dem Leistungsberechtigten ein Leibgedinge mit freier Kost eingeräumt ist. Allerdings ist zu beachten, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) die Gewährung von Kost als Einnahme, die nicht in Geld besteht, klassifiziert hat. Insofern fehlt es an einem klaren gesetzgeberischen Konzept, in welchem Umfang und gegebenenfalls nach welcher Vorschrift des SGB XII von Dritten zur Verfügung gestellte Sachleistungen, insbesondere Essen, als leistungsmindernd erfasst werden sollen (siehe dazu Bundessozialgericht vom 23. März 2010 – B 8 SO 17/09 R).

Im Übrigen kam eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes des Klägers für die Monate April und Mai 2009 auch deshalb nicht in Betracht, weil die (mutmaßliche) anderweitige Bedarfsdeckung beim Kläger (Gewährung von Verpflegung im Krankenhaus) nicht von einem Träger der Sozialhilfe als Leistung nach dem SGB XII erbracht wurde. Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) ist in diesem Fall § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. nicht einschlägig. (…)

Das Gericht lässt im Übrigen dahingestellt, inwieweit die pauschalierte Kürzung des Regelsatzes des Klägers rechnerisch korrekt vorgenommen wurde.

Die Verpflegung des Klägers im Krankenhaus war im Aufhebungszeitraum April und Mai 2009 auch nicht leistungsmindernd als Einkommen (in Form des Sachbezuges) gemäß § 82 SGB XII zu berücksichtigen. Da die Beteiligten insoweit mit dem Gericht in der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts übereinstimmen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 10. Mai 2011), sieht das Gericht von einer ausführlicheren rechtlichen Begründung ab und verweist diesbezüglich auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 23. März 2010 (a.a.O.). Es schließt sich den dort vorgenommenen rechtlichen Erwägungen in vollem Umfang an und macht sie sich zu eigen. (…)

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5 Gedanken zu “Anrechnung von Krankenhausverpflegung im SGB XII”

  1. Ich lag vier Wochen im Krankenhaus, Die Grundsicherung deckt meine Miete ab, Erweitern beziehe ich eine EU. Rente von 400 Euro. Kann mir das Amt nun etwas von der Miete kürzen?
    Über eine kostenfreie Antwortwürde ich mich sehr freuen.
    Mfg
    CH

    • Nein, erst bei einem stationären Aufenthalt ab mehreren Monaten ist ein Kürzung – bzw. dann auch eine vollständige Streichung – rechtlich möglich.

  2. Muss ich den Aufenthalt im Krankenhaus, in meinem Falle zwei Tagen schriftlich bestätigen? Und wenn ja,
    reicht die Angabe der Tage aus?

    • Im SGB XII ist – anders als im SGB II – eine solche Kürzung generell möglich. Es kommt jedoch auf den Einzelfall an.

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