Aufstocker erhalten keine Sanktion wenn Sie einen Meldetermin absagen weil Sie einen Arbeitstermin haben


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Sozialgericht Kiel
Sozialgericht Kiel

Das Sozialgericht Kiel hat mit Gerichtsbescheid vom 26.09.2012 – S 40 AS 340/12 – entschieden, dass das Jobcenter Kiel keine Sanktion gegen einen selbständigen Aufstocker aussprechen darf, der einen Meldetermin wegen eines Kundentermins absagt.

Im vorliegenden Fall hatte das Jobcenter eine Sanktion verhängt und zur Begründung ausgeführt, dass Meldetermine wichtiger seien als Kundentermine. Bei dem Kundentermin hatte es sich um ein Erstgespräch gehandelt.

Ich finde es bestürzend, dass es eines Eilverfahrens mit zwei Erörterungsterminen sowie einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache bedurfte, um die Sache zu klären und die Sanktion zu verbieten.

Selbständige werden mir vermutlich sofort zustimmen, wenn ich sage, dass es keine zweite Chance für einen guten ersten Eindruck beim ersten Kundenkontakt gibt. Die Absage eines solchen Termins vor dem Hintergrund einer Jobcentereinladung wird vermutlich alle Chancen auf den Abschluss eines Geschäfts mit dem Kunden vernichten.

Das Sozialgericht Kiel sah im vorliegenden Fall im Kundentermin einen sogenannten wichtigen Grund. Dieser habe schwerer gewogen als eine Einladung zu einem Meldetermin, zumal dort nur ein Eingliederungsverwaltungsakt übergeben werden sollte.

Das Sozialgericht Kiel hat seine Entscheidung wie folgt begründet (bearbeitet und gekürzt):

Wichtiger Grund als Hinderungsgrund

Ein wichtiger Grund liegt allgemein vor, wenn dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Erscheinen unmöglich ist oder so erschwert wird, dass ein anderes Verhalten bei einer Abwägung seiner Interessen gegenüber den Interessen der Allgemeinheit unzumutbar erscheint. Das ist immer der Fall, wenn bei vergleichbaren Umständen ein Arbeitnehmer zum Fernbleiben von der Arbeit berechtigt wäre, also bei Erkrankungen (die aber ein Erscheinen unmöglich bzw. unzumutbar machen, was bei einer Arbeitsunfähigkeit nicht immer der Fall sein muss), der Wahrnehmung unaufschiebbarer Gerichtstermine oder Behördentermine, dringender familiärer Verpflichtungen, bei einem Verkehrsunfall, u.U. bei Verkehrsstörungen. Als weitere Gründe kommen in Betracht: Terminkollisionen wegen zeitlicher Bindungen durch Nebentätigkeiten bzw. berufsbezogene Hinderungsgründe, dringende Arzttermine, Vorstellungstermine bei Arbeitgebern und Unglücksfälle (so Sonnhoff, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 32 Rn. 34).

Der Kläger hat vorliegend einen wichtigen Grund nachgewiesen. Er hatte zu dem vorgesehen Zeitpunkt des Meldetermins am 00.00.2012 um 10:30 Uhr einen beruflichen Termin in Form eines Gespräches mit dem als Zeugen gehörten Herrn X.

Sowohl der Kläger als auch der Zeuge haben übereinstimmend erklärt, dass sie sich am 00.00.2012 um 10:30 Uhr zu einem ersten Termin hinsichtlich der Gestaltung bzw. Umgestaltung des Gartens des Zeugen getroffen hätten. Es liegt damit ein berufsbezogener Hinderungsgrund vor. Bei einer Abwägung der Interessen des Klägers, den geschäftlichen Erstkontakttermin mit dem Zeugen X wahrzunehmen und nicht vor dem Hintergrund der entgegenstehenden Einladung des Beklagten zu verschieben, überwiegt hier das Interesse des Klägers die Interessen der Allgemeinheit in Gestalt der Bemühungen des Beklagten, die Hilfebedürftigkeit des Klägers zu beenden bzw. zumindest zu reduzieren. Aus dem Vermerk des Beklagten über den Termin am 00.00.2012 geht hervor, dass er dem Kläger anlässlich dieses Meldetermins eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt auszuhändigen beabsichtigte. Da die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes auch auf dem Postwege möglich gewesen wäre, ist den geschäftlichen Interessen des Klägers hier der Vorrang einzuräumen.

Berücksichtigung der vorherigen Absage

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger dem Termin nicht ohne Weiteres ferngeblieben ist, sondern den Beklagten zuvor schriftlich auf die Terminkollision am 00.00.2012 hingewiesen hat. Eine Reaktion des Beklagten erhielt er hierzu jedoch nicht.

Keine Beurteilung der Wichtigkeit des Kundentermins durch das Jobcenter

Es ist aus Sicht der Kammer zudem nicht Sache des Beklagten, die Qualität und den sich möglicherweise aus einem geschäftlichen Termin ergebenen Gewinn in die vorzunehmende Abwägung zum wichtigen Grund gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II einzustellen. Sofern der Beklagte Zweifel hat, dass der Kläger grundsätzlich in der Lage ist oder absehbar in der Lage sein wird, auf Basis seiner selbstständigen Tätigkeit seine gegenwärtige Hilfebedürftigkeit zu beenden, so ist ggf. die Tragfähigkeit seiner Selbständigkeit zu überprüfen.

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