Ausstattung mit neuer Kleidung bei Gewichtsveränderung


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Das Landessozialgericht Hamburg – L 5 AS 342/10 – hat entschieden, dass ein Erwachsener bei einer starken Gewichtsveränderung Anspruch auf die Ausstattung mit neuer Kleidung haben kann. Der Kläger hatte rund 30 kg abgenommen und seine Kleidergröße hatte sich dadurch erheblich verändert. Es läge eine erhebliche Änderung der Verhältnisse vor und zudem seien Bedarfe von Erstausstattung bei Kleidern nicht mit von der Regelleistung umfasst.

Das Landessozialgericht und das Sozialgericht Hamburg haben die Entscheidung wie folgt begründet (bearbeitet und gekürzt):

(…) Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 1. Alt, Satz 2 SGB II seien Leistungen für die Erstausstattung mit Bekleidung nicht von der Regelleistung umfasst. Die Abgrenzung, wann anstelle des grundsätzlich aus der Regelleistung zu deckenden Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarfs ein erstmaliger Bedarf mit neuer Ausstattung entstehe, richte sich danach, ob die Bedarfssituation aufgrund eines besonderen Umstandes eintrete oder aber ob es sich um die laufende Anschaffung und Instandhaltung handele. Zu diesen besonderen Umständen zähle neben den im Gesetz beispielhaft genannten Ereignissen wie Schwangerschaft und Geburt auch eine – allerdings außergewöhnliche – Zu- oder Abnahme des Körpergewichts, wie sie hier vorliege. Dieser Sichtweise stehe auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. März 2010 (Az.: B 14 AS 81/08 R) nicht entgegen, wonach wachstumsbedingte Neuanschaffungen bei Kindern nicht von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II erfasst seien. Während das übliche Wachstum von Kindern einen regelmäßigen, d.h. typischen Vorgang darstelle, falle eine Gewichtsreduktion von 120 kg auf ca. 88 kg erheblich aus dem Rahmen dem Üblichen. Sie stelle eines jener besonderen Ereignisse dar, für die § 23 SGB II deswegen eine Art Öffnungsklausel enthalte, weil sie wegen ihrer Atypik bei der Festlegung der Regelleistung keine Berücksichtigung finden könnten. Während im Übrigen die Erscheinung von Kinder, die aus ihren Sachen „herausgewachsen“ seien, jedenfalls bis zu einem gewissen Grade sozial akzeptiert sei, werde ein Erwachsener in erheblich zu großer Kleidung in der Öffentlichkeit meist als lächerlich empfunden. Weiterhin lasse sich dem Anspruch auch nicht entgegenhalten, die Gewichtsreduktion habe sich in einem zeitlichen Rahmen vollzogen, in dem ohnehin (aus der Regelleistung zu deckende) Ersatzbeschaffungen angefallen wären. Aus dem vom Kläger bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Attest der behandelnden Allgemeinärzte ergebe sich, dass sich jedenfalls ein erster Schub mit einer Reduktion allein um mehr als 20 kg in einem Zeitraum von etwa einem Dreivierteljahr (Juli 2007 bis März 2008) vollzogen habe. Der Anspruch sei auch in der vom Kläger geltend gemachten Höhe gegeben, die der Beklagte für eine Erstausstattung mit Kleidung veranschlage. Es erscheine überzeugend, dass der Kläger so gut wie den gesamten Bestand an Oberbekleidung, Unterwäsche und Schuhwerk austauschen müsse. Die Kosten für solche Kleidungsstücke, die – wie Kopfbedeckungen, Schnürsenkel etc. – von den Folgen eines erheblichen Gewichtsverlustes weitgehend unberührt blieben, fielen finanziell nicht so erheblich ins Gewicht, dass deshalb ein Abzug gerechtfertigt wäre.

(…) Der Begriff der Erstausstattung ist abzugrenzen von dem Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarf, der aus der Regelleistung zu bestreiten ist. Die Erstausstattung mit Bekleidung erfasst in diesem Zusammenhang diejenigen Fälle, in denen so gut wie keine Ausstattung für die jeweilige Bedarfssituation vorhanden ist; etwa nach Gesamtverlust durch Wohnungsbrand oder aufgrund „außergewöhnlicher Umstände“ (BT-Drs. 15/1514 S. 16). Solche außergewöhnlichen Umstände können in einer erheblichen Gewichtsveränderung liegen, die bei Erwachsenen – im Gegensatz zu Kindern, die im Rahmen des Wachstums regelmäßig auf neue Kleidung angewiesen sind – nicht regelmäßig und damit planbar vorkommen.

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