EGV Sanktion nur nach eindeutiger Rechtsfolgenbelehrung


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Das Bundessozialgericht – B 14 AS 53/08 R – hat entschieden, dass die  Absenkung des Arbeitslosengeldes II bei Weigerung, einen „Ein-Euro-Job“ auszuführen, nur zulässig ist wenn vorher eine ordnungsgemäße Belehrung über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung durchgeführt wurde.

Daran mangelt aber ganz häufig. Wenn bei Ihnen eine Sanktion durchgeführt wurde obwohl Sei nicht ordnungsgemäß über die Folgen belehrt wurden lassen Sie sich anwaltlich beraten.

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheides. Die 1986 geborene Klägerin stand seit Juni 2005 im laufenden Bezug von Arbeits­losengeld II (Alg II). Im Oktober 2006 schloss sie mit der beklagten Arbeitsgemeinschaft eine schriftliche Eingliederungsverein­barung, die bis April 2007 gelten sollte. Inhalt der Vereinbarung war ua das Angebot einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwands­entschädigung im Rahmen des Projekts „Job for Junior“ der Diakonie in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 31. Januar 2007. Die Vereinbarung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, in der unter Umschrei­bung der Gesetzestexte auf Grund- und Meldepflichten des Arbeitslosen hingewiesen wurde sowie auf die Absenkung der Regelleistung bei einer Verletzung der „Grundpflichten“. Die Klägerin nahm die ihr angebotene Arbeitsgelegenheit im Rahmen des Projekts „Job for Junior“ bei der Diakonie Ratingen zunächst auf, kündigte aber mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 an die Beklagte an, bis zur Klä­rung ihrer Urlaubsansprüche nicht mehr zur Arbeit zu er­scheinen. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2007 mit, dass sie aufgrund der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet sei, die ihr zugewiesene Arbeits­gelegenheit auszuführen, dass eine Niederlegung der Arbeitsgele­genheit als unent­schuldigtes Fehlen gewertet werden müsste und zur Kürzung ihres Leistungsanspruchs führen werde. Nachdem die Klägerin im Januar 2007 unentschuldigt gefehlt hatte, beschränkte die Be­klagte für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2007 die Grundsicherungsleis­tungen der Klägerin auf die Kosten der Unterkunft. Das Sozialgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben, weil die Klägerin nicht hinreichend über die Rechtsfolgen informiert worden sei, die aus der Weigerung folgten, in der Eingliederungs­vereinbarung festgelegte Verpflichtungen zu erfüllen.

Begründung:

Der Absenkungsbescheid, mit dem die Beklagte die der Klägerin gewährten Grundsicherungsleistun­gen für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2007 herabgesetzt hatte, ist rechtswidrig, weil die Beklagte die Klägerin nur unzulänglich über die Rechtsfolgen belehrt hat, die sich aus der Weigerung ergeben würden, die zusätzliche Arbeitsgelegenheit im Projekt „Job for Junior“ weiter auszuführen. Zwar hat die Klägerin damit ihre in der Eingliederungsvereinbarung übernommene Verpflichtung verletzt. Die Sanktionstatbestände des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr b und c SGB II setzen jedoch voraus, dass der Hilfe­bedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist. Die Belehrung über die Rechtsfolgen muss konkret, verständlich, richtig und vollständig sein. Erforderlich ist insbesondere eine Umsetzung der in Betracht kommenden Verhaltensanweisungen und möglicher Maß­nahmen auf die Verhältnisse des konkreten Einzelfalls. Diese strengen Anforderungen an den Inhalt der Rechts­folgenbelehrung sind vor allem deshalb geboten, weil es sich bei der Herabsetzung der Grundsiche­rungsleistungen, wie aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) hervorgeht, um einen schwerwiegenden Eingriff handelt.

Die der Klägerin bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung erteilte Rechtsfolgenbelehrung genügt den genannten Anforderungen nicht. Die Klägerin wurde nicht konkret über die Rechts­folgen einer Pflichtverletzung belehrt; die Belehrung bestand vielmehr im Wesentlichen aus einer Wiedergabe des Gesetzestextes. Sie führte eine Vielzahl von Sanktionstatbeständen und möglichen Rechtsfolgen auf, ohne die konkret in Betracht kommenden deutlich zu machen. Auch im Schreiben vom 4. Januar 2007, das der Klägerin zuging, nachdem sie angekündigt hatte, die Maßnahme nicht fortsetzen zu wollen, findet sich keine Belehrung, die den genannten Anforderungen genügt. Da der Absenkungs­bescheid schon wegen der unzulänglichen Rechtsfolgenbelehrung aufzuheben war, war nicht darüber zu entscheiden, ob die im Bescheid angeordnete völlige Streichung der Regelleistung für einen Zeit­raum von drei Monaten zulässig war.

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat die Revision der beklagten Arbeitsgemeinschaft im Ver­fahren B 14 AS 53/08 R am 18. Februar 2010 nach mündlicher Verhandlung zurückgewiesen und das angefochtene Urteil des Sozialgerichts bestätigt.

Az.: B 14 AS 53/08 R W. ./. Arbeitsgemeinschaft ME-aktiv

Quelle: Medieninformation Nr. 4/10 des Bundessozialgerichts.

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Ein Gedanke zu “EGV Sanktion nur nach eindeutiger Rechtsfolgenbelehrung”

  1. Das Jobcenter Märkischer Kreis sanktioniert schnell und häufig rechtswidrig. Mal fehlt die Rechtsfolgenbelehrung, Analfabethen werden sanktioniert, weil sie gegen Auflagen der Eingliederungsvereinbarung verstoßen, und wer statt zum 26. des Monats 1 Bewerbung einzureichen am letzten des Monat fünf Bewerbungen nachweist, wird sanktioniert, weil der 26. in die Eingliederungsvereinbarung diktiert war.

    Mehrere rechtwidrige 100%-Sanktionen wurden auf der Seite http://www.beispielklagen.de detailliert dokumentiert, neuerdings eine Sanktion wegen sorgfältig begründeter Kritik an einem Ein-Euro-Job bei der Diakonie. Nur wenige Tage später erschien der Bericht des Bundesrechnungshofes zu Ein-Euro-Jobs mit ähnlicher Argumentation.
    http://www.beispielklagen.de/klage029.html

    Der Bericht des BRH ist durchaus lesenswert:
    http://www.lag-arbeit-hessen.net/fileadmin/user_upload/BRH_Pruefbericht_AGH_2010_1110.pdf

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