Erstattete Fahrtkosten sind kein Einkommen bei Leistungsbezug nach dem SGB II !


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Das Sozialgericht Detmold – S 18 AS 871/12 – 18.09.2014 hat entschieden: Erstattet ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer die notwendigen Fahrtkosten, dürfen diese nicht als Einkommen gewertet werden. Das gilt auch für erstattete Portokosten.

Aus der Entscheidung:

Die Klägerin bezog SGB II-Leistungen vom Beklagten. Ausweislich des mit dem Arbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrages stand der Klägerin neben dem Stundenlohn ein Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Erstattung von Fahrtkosten von 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer zu.

Der Klägerin steht für mehrere Monate ein höherer Anspruch auf Regelbedarf zu, da der Beklagte von einem zu hohen anrechenbaren Einkommen ausgegangen ist.

Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld und Geldeswert zu berücksichtigen mit Ausnahme der in § 11 a SGB II genannten Einnahmen. Vom Einkommen sind die nach § 11 b SGB II zu berücksichtigenden Beträge abzusetzen. Einkommen im Sinn des SGB II ist dann alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R). Das Einkommen ist jeweils in dem Monat anzurechnen, in dem es dem Berechtigten zufließt (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Von den Zahlungen des Arbeitgebers an die Klägerin sind die als Spesen und die als Fahrtkosten bezeichneten Teile der Zahlungen nicht als Einkommen im Sinn von § 11 SGB II anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Als Einkommen im Sinn des § 11 SGB II sind die Zahlungen des Arbeitgebers für den Zeitlohn, die Kontoführungsgebühren und die Flatrate für das Telefon zu bewerten. Die Kontoführungsgebühren und die Zahlungen für die Flatrate sind als Einkommen zu bewerten, da es sich hierbei um Zahlungen für Kosten handelt, die die Klägerin auch privat für ihren Telefonanschluss sowie ihr Girokonto aufwenden muss, unabhängig von der tatsächlichen Erwerbstätigkeit. Anders sind jedoch die Zahlungen für Kilometergeld und die sog. Spesen zu beurteilen. Zwar werden auch diese Zahlungen grundsätzlich von der Definition des Einkommens im Sinn des § 11 SGB II (s.o.) erfasst. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung können diese Zahlungen des Arbeitsgebers jedoch nicht vom Einkommensbegriff des § 11 SGB II erfasst werden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits entschieden, dass die Rückerstattung von während des Bezuges von SGB II-Leistungen vorausgezahlten Stromabschlägen kein anrechenbares Einkommen ist (Urteil vom 23.08.2011, B 14 AS 185/10 R). Entsprechendes gilt hier. Die Klägerin hat in der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit Fahrten mit ihrem PKW  f ü r  den Arbeitgeber übernommen. Die ihr hierdurch entstehenden Kosten musste sie entsprechend aus den ihr monatlich zur Verfügung stehenden Mitteln, d.h. ihrem Einkommen bzw. dem nach Anrechnung des Einkommens verbliebenen Regelbedarf nach § 20 SGB II, finanzieren. Soweit der Arbeitgeber der Klägerin für die in Ausübung der Tätigkeit entstandenen Fahrtkosten einen Betrag von 0,30 EUR je nachgewiesenen Kilometer im Folgemonat erstattet hat, handelt es sich hierbei um einen Ersatzanspruch im Sinn von § 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die von der Klägerin aus ihrem Regelbedarf vorverauslagten Kosten wurden durch den Arbeitgeber als Auftraggeber im Sinn von § 662 BGB auf  Nachweis hin erstattet. Zur Erstattung war der Arbeitgeber verpflichtet, da es sich bei den Fahrten nicht um Fahrten im Eigeninteresse der Klägerin (wie etwa bei der Fahrt zur Arbeitsstätte) handelte, sondern um Fahrten, die allein im Interesse des Arbeitsgebers lagen. Wäre der Klägerin vom Arbeitgeber ein Fahrzeug für diese Fahrten gestellt worden, hätte die Klägerin entsprechend keine Aufwendungen für Fahrtkosten gehabt und damit auch keinen Erstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Da sie jedoch im Interesse des Arbeitgebers die Aufwendungen für diesen aus ihrem Regelbedarf ausgelegt hatte, ist die Erstattung dieser Auslagen nicht als Einkommen im Sinn von § 11 SGB II zu bewerten. Dies entspricht auch dem Rechtsgedanken aus § 11 b Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Wenn also eine Nachzahlung von SGB II-Leistungen in einem späteren Monat nicht als Einkommen zu berücksichtigten ist, muss dies auch gelten, wenn im Interesse eines Dritten ein Leistungsempfänger Auslagen macht und diese später erstattet erhält. Dies gilt ebenso für die als Spesen bezeichneten Zahlungen des Arbeitgebers. Hierbei handelte es sich um Portokosten bzw. weitere Ausgaben der Klägerin, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Erwerbstätigkeit für den Arbeitgeber anfielen. Wären der Klägerin Postwertzeichen zur Verfügung gestellt worden, hätte sie keine Ausgaben aus dem Regelbedarf hierfür gehabt. Entsprechend wird sie durch die Erstattung seitens des Arbeitgebers nur so gestellt, wie sie gestanden hätte, wenn ihr die Postwertzeichen als Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden wären. Die Anrechnungsfreiheit der als Spesen bezeichneten Erstattungen wird auch aus folgendem ersichtlich: Wenn die Klägerin von ihrem Arbeitgeber Geld erhalten hätte, um für ihn Postwertzeichen zu erwerben oder einen Firmenwagen zu betanken, hätte es sich hierbei unstreitig nicht um Einkommen im Sinn von § 11 SGB II gehandelt. Also kann nichts anderes gelten, wenn die Klägerin die entsprechenden Kosten erst für ihren Arbeitgeber auslegt und zu einem späteren Zeitpunkt diese  Auslagen erstattet erhält.

Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.

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18 Gedanken zu “Erstattete Fahrtkosten sind kein Einkommen bei Leistungsbezug nach dem SGB II !”

  1. Guten Tag Herr Felsmann,
    bin Hartz IV Empfänger und habe eine geringfügige Beschäftigung von 229,50 Euro. Habe bisher 50,00 Euro Fahrtkosten monatlich Bar von meiner Chefin erhalten. Bisher hatte man mir es nicht auf das Einkommen angerechnet.Musste für 2016 eine neue Einkommensbescheinigung einreichen, weil ich etwas mehr arbeiten kann (3 Std/monatlich). Jetzt berechnet mir der Jobcenter die 50,00 Euro als Einkommen.
    Gibt es ein neues Urteil darüber oder ist dies nicht Rechtens?

    MfG
    Hans-Peter Sauter

  2. Guten Tag Herr Felsmann ,
    Wir beziehen Hartz 4 und mein Mann hat einen Minijob von ca.180 Euro monatlich.
    Er erhält km Geld von seinem Arbeitgeber . Er stellt Samstags die Werbeprospekte in einem ca.6 km entfernten Nachbarort zu.
    Darf das zu 100 % als Einkommen angerechnet werden ?

    • Vom Arbeitgeber gezahlte Fahrtkosten sind nicht zu 100
      Prozent als Einkommen anzurechnen.
      Das Sozialgericht hat eine entsprechende Entscheidung getroffen, ich kenne aber keine Entscheidung dazu von einem Landessozialgericht oder dem Bundessozialgericht.
      Man sollte es also versuchen sich zu wehren wenn es angerechnet wird.

  3. Sehr geehrter Herr Felsmann,
    ich bin seit 2 Wochen arbeitslos und habe während meiner Berufstätigkeit von meinem Arbeitgeber 140€ Fahrgeld bekommen. Dies wurde pauschal mit 15 %versteuert. Ich möchte nun wissen, ob dieses Geld zum Bruttoeinkommen gehört und ich somit einen höheren Anspruch bem Alg1 habe.
    MfG
    A.Klein

  4. Hallo ich habe eine Arbeit angenommen (Verdienst 225,-@ montl.).
    2x die Woche (12,5 km einfach Strecke) – demnach monatlich fast 200 km die ich dann fahre.

    Jetzt wurde mir vom Jobcenter 100,-€ berückstichtiges Einkommen angerechnet.
    Das heißt ich erhalte nur noch 316,-€ Regelsatz Leistung

    Und von den 125,-€ die ich jetzt mehr „Einkommen“ habe, muss ich die Fahrtkosten auch noch die mir entstehen auch noch abziehen. Da die Benzinkosten sehr hoch sicht zzgl. Verschleiss am Auto etc. – da bleibt ja fast nix übrig.

    Könnte man die Fahrtkosten gegenüber dem Jobcenter gelten machen.

    Mit freundl. Grüßen
    Carsten L.

  5. Hallo.
    Ich bin Zeitungszusteller auf Minijobbasis und habe im laufenden Jahr bereits 4 Mal die 450 Euro Grenze überschritten. Deshalb möchte mich mein Arbeitgeber Sozialversicherungpflichtig anmelden. Allerdings erreiche im Jahr wegen des schwankenden Gehalts nicht die 5400 Euro.
    Des weiteren bekomme ich ca. 70 Euro Fahrtkosten im Monat und wenn man diese abzieht, (weil es für mich kein Sozialversicherungpflichtiges Gehalt darstellt) verdiene ich monatlich unter 450 Euro.
    Ich streite mich jetzt mit dem Arbeigeber, ob die Anmeldung in die Gleitzone überhaupt notwendig ist.
    Kann mir jemand helfen.

  6. Sehr geehrter Feldmann

    Ich wohne in Wiesbaden.
    Ich war Aufstocker und bekomme von meiner Firma Fahrtgeld ausbezahlt.
    Ist das Gerichtsurteil von Detmold bundesweit gültig oder nur im Bundesland wo Detmold liegt.
    Meine Sachbearbeiterin bezieht sich darauf, dass es nur in Detmold Gültigkeit hat.

  7. Sehr geehrter Herr Felsmann, ich soll zukünftig mit meinem privaten PKW an verschiedene Arbeitsorte fahren. Ich bin im kaufmännischen Bereich tätig. Ich würde mit meinem PKW im Umkreis von 50 Kilometern alle Ortschaften anfahren und für das Unternehmen Kunden werben. Hierfür würde ich 30 Cent/Km erhalten. Es können bis zu 400 Euro pro Monat werden die ich somit als Fahrkosten ausgezahlt bekommen würde.
    Hier die Frage: Ich bekomme Arbeitslosengeld II, würden diese Fahrtkosten als Einkommen angerechnet!

    • Da ändert sich die Rechtsprechung gerade etwas hin und her, so dass ich das nicht definitiv sagen kann. Bei wirklich entstandenen Kosten würde ich sagen nein. Ich würde aber vorher beim Jobcenter nachfragen wie die das konkret in diesem Fall handhaben.

  8. Hallo Hr.Felsmann

    Wir sind eine 6 köpfige Familie und ich bin allein Verdiener.Ich bekomme Wohngeld und Kiz 2 ( Kindergeld 2 )
    Nun in Zeiten von Corona muss ich nun Liefer Fahrten tätigen,damit ich nicht in Kurzarbeit falle oder sogar meinen Job verliere.
    Nun bekomme ich da ich mit meinem privatem Auto fahre die 0,30 Cent pro Kilometer , wird mir dies nun auf mein Kindergeld 2 angerechnet als mehr Verdienst? Ich bekomme dies auf mein Konto überwiesen und ob das mit auf meiner Lohnabrechnung steht weis ich noch nicht da ich das das erste mal am 30.04.20 und am 01.05.2020 gemacht habe und dies jetzt jeden Tag machen muss,da ich seit Anfang der Corona Krise bis zu diesen Daten meine Überstunden abgebaut habe.
    Muss dazu sagen ich habe jetzt mehrmals in manchen Beiträgen gelesen das Sie geschrieben haben es kommt darauf an an welcher Stelle dies auf der Lohnabrechnung steht?
    Wie muss ich das verstehen? Haben Sie ein beispiel?

    Über eine Antwort werde ich mich sehr freuen.

    Mfg Mike

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