Jobcenter muss Kosten für Leibrente als Kosten der Unterkunft tragen


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Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat am 03. September 2012 –  L 6 AS 404/12 B ER – in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz entschieden, dass 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Berücksichtigung einer Leibrente als Kosten der Unterkunft nicht ausschließt.
Leibrentenzahlungen führten nicht unmittelbar zu einer Vermögensvermehrung, sondern dienten eher der Sicherung des bereits erlangten Vermögensvorteils.

Die Beschwerdeführer sind (je zur Hälfte) Eigentümer einer selbstbewohnten Immobilie mit einer Wohnfläche von 85 m2 und einer Grundstücksfläche von 310 m2 in W. Die Beschwerdeführer bekamen das Eigentum an Haus und Grundstück im Jahr 2003 übertragen und verpflichteten sich, solange einer der beiden Voreigentümer lebte, ihnen eine Rente i.H.v. 440 € zu zahlen.

Zur Sicherung wurde eine (bedingte und befristete) Rückauflassungsvormerkung zugunsten der Übergeberin und eine Auflassungsvormerkung zugunsten ihres Ehemannes eingetragen. Eine Rückzahlung der bereits erbrachten Rentenzahlungen soll nicht stattfinden.

Das Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz hat zur Begründung ausgeführt (bearbeitet und gekürzt):

Die Beschwerdeführer haben Anspruch auf Verpflichtung des Beschwerdegegners zur Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Leibrentenzahlungen in Höhe von 440,00 € monatlich als Kosten der Unterkunft.

(…) Die Leibrentenzahlungen sind auch als (weitere) Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen.

Der Wortlaut des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB 11 schließt die Berücksichtigung der Leibrente nicht aus. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift stehen dem nicht entgegen. Das BSG hat im Hinblick auf Tilgungsleistungen bereits mit Urteil vom 18.06.2008 (B 14/11b AS 67/06 R) auf den hohen Stellenwert des Erhalts der Wohnung für den Hilfebedürftigen hingewiesen. Zwar führe die mit der Tilgung eintretende Minderung der auf dem Wohneigentum ruhenden Belastungen bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Mehrung des Vermögens des Eigentümers. Dies sei aber bei Abwägung der widerstreitenden Zielvorgaben jedenfalls dann hinzunehmen, wenn ohne Übernahme der Tilgungsleistungen durch den Grundsicherungsträger der Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums drohe. Sei die Erbringung von Tilgungsleistungen notwendig, um die Eigentumswohnung weiter nutzen zu können und wäre ohne Fortführung der Tilgung eine Aufgabe der Wohnung unvermeidlich, habe bei wertender Betrachtung der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten. In späteren Entscheidungen hat das BSG dann in den bereits vom SG zitierten Urteilen diese Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass Tilgungsleistungen nur in besonderen Ausnahmefällen übernommen werden könnten (Urteile vom 07.07.2011 – B 14 AS 79/10 R und 16.02.2012 – B 14 AS 14/11 R).

Diese Rechtsprechung, insbesondere die Anforderungen an die Ausnahmefälle, lassen sich zur Überzeugung des Senats nicht unmittelbar auf den vorliegenden Fall einer Leibrentenzahlung übertragen. Insofern ist von Bedeutung, dass die Belastung der Immobilie hier nicht in einer (Sicherungs-)Hypothek oder Grundschuld besteht, bei der sich die wirtschaftliche Belastung aufgrund der Sicherungsabrede mit jeder Ratenzahlung unmittelbar ein wenig verringert. Die Leibrentenzahlung steht dagegen nicht in direktem Zusammenhang mit der Belastung der Immobilie mit einer Reallast. Die Zahlung verhindert lediglich, dass die Veräußerin ihren Anspruch auf Rückübertragung geltend macht, verringert aber nicht unmittelbar die tatsächliche Belastung des Grundstücks. Zwar wird ein eventueller Käufer der mit der Leibrentenzahlung belastenden Immobilie bei der  Ermittlung pes Kaufpreises auch diese Verpflichtung in Rechnung stellen. Die zu erwartende finanzielle Belastung steht aber allein in Zusammenhang mit dem Alter der Veräußerin und deren aktueller Lebenserwartung. Hinzu kommt, dass die durchschnittliche (Rest-)Lebenserwartung einer Frau im Alter der Veräußerin (bzw. eines Mannes im Alter des Ehemannes) nur ein ungefährer Anhaltspunkt für die zu erwartenden Zahlungen ist; die tatsächliche Belastung kann je nach den tatsächlichen Sterbedaten wesentlich höher oder wesentlich niedriger ausfallen.

Da es für ein Ende der Belastung allein auf den Tod der Veräußerin und ihres Ehemannes ankommt, kann auch zu keinem Zeitpunkt unterstellt werden, dass die Finanzierung „fast abgeschlossen“ sei, wie es bei Zahlungen auf einen Hauskredit möglich ist, so dass die vom BSG zu den Tilgungsleistungen entwickelten Kriterien für einen Ausnahmefall hier nicht passen.

Führen die Leibrentenzahlungen nach den obigen Ausführungen somit gerade nicht unmittelbar zu einer Vermögensvermehrung, sondern dienen eher einer Sicherung des bereits erlangten Vermögensvorteils  ist es bei wertender Betrachtung gerechtfertigt diese Zahlungen im Rahmen des § 22 SGB 11 als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen.

Vorinstanz: SG Mainz S 12 AS 717/12 ER

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