Ein Kind das im Internat unterrichtet wird ist Teil der Bedarfsgemeinschaft


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Sozialgericht Kiel
Sozialgericht Kiel

Das Sozialgericht Kiel hat am 19.09.2013 – S 31 AS 1261/11 – entschieden, dass ein Kind Teil der Bedarfsgemeinschaft ist, dass unter der Woche im Internat ist und an der überwiegenden Zahl der Wochenenden sowie in den Ferien im Hause der Mutter wohnt. Im vorliegenden Fall hatte ein Kind einer alleinerziehenden Mutter das sogenannte ADHS Syndrom und konnte nicht in einer „normalen“ Schule beschult werden. Das Jobcenter hatte zwar das Einkommen des Kindes bei der Mutter mit angerechnet (Kindergeld, Unterhalt etc.),  aber die Ausgaben für das Internat nicht mit berücksichtigt.

Dem hat das Sozialgericht Kiel nun einen Riegel vorgeschoben. Nachdem das Jobcenter im Eilverfahren schon zur Übernahme verpflichtet worden war, ist es nun auch im Hauptsacheverfahren verurteilt worden. Es läge eben keine typische temporäre Bedarfsgemeinschaft vor, bei der das Kind zum Teil beim Vater und zum Teil bei der Mutter wohne.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da das Jobcenter Berufung eingelegt hat.

Das Gericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet – bearbeitet und gekürzt:

Im hier zu entscheidenden Fall ist allein die Frage streitig, ob der Kläger zu 2) wegen des Besuchs des Internats noch dem Haushalt der Klägerin zu 1) angehört und damit zur Bedarfsgemeinschaft zählt.
Diese Frage bejaht die Kammer – wie bereits im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz – auch im Hauptsacheverfahren. Es ist nicht erforderlich, dass der Kläger zu 2) sich täglich in der Wohnung der Klägerin zu 2) aufhält. Durch den Besuch des Internats wird der Lebensmittelpunkt
nicht aufgegeben, da der Kläger zu 2) an den überwiegenden Wochenenden und in den Ferien zu Hause bei der Klägerin zu 1) ist. Der Aufenthalt bei der Klägerin zu 2) ist durch die Vorlage von Bahnfahrkarten für diverse Wochenenden belegt worden. Das keine lückenlose Vorlage vorgenommen worden ist, hält die Kammer in diesem Fall für unschädlich.

Keine temporäre Bedarfsgemeinschaft

Die Kammer nimmt in diesem Fall auch nicht nur eine temporäre Bedarfsgemeinschaft an. So hat zum Beispiel das Sozialgericht Karlsruhe in seinem Urteil vom 27.07.2009 – S 16 AS 1115/08 bei Internatsunterbringung ein temporäre Bedarfsgemeinschaft als vorliegend angesehen und Leistungen nur fOr Jeden vollen Kalendertag des Aufenthaltes zu Hause ausgeurteilt. Etwas weiter gegangen ist das Bayerische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 21 .01.2013 – L 7 BK 5/12. Das Bayerische Landessozialgericht hat auch für jeden vollen Kalendertag des Aufenthaltes zu Hause eine temporäre Bedarfsgemeinschaft angenommen, darüber hinaus aber die Kosten der Unterkunft für den vollen Monat berücksichtigt, da auch in Zeiten der Abwesenheit der Wohnanteil für den Internatsschüler vorgehalten werden muss. Die Konstruktion der temporären Bedarfsgemeinschaft greift nach Auffassung der Kammer hier allerdings nicht, da die Klägerin zu 1) – anders als bei der typischen temporären Bedarfsgemeinschaft: teils beim Vater, teils bei der Mutter sich aufhaltend – auch für die Zeit, in der der Kläger zu 2) nicht zu Hause ist, für seine Lebenshaltungskosten aufkommen muss. Die Klägerin zu 1) hält nicht nur den Wohnanteil für den Kläger zu 2) vor, sondern hat darüber hinaus jeden Monat an das Internat 350,– € Eigenanteil zu zahlen. Zusätzlich wird sie auch noch das in Höhe von 150,– € darlehensweise gewährte Stipendium zurückzahlen müssen. Die Ersparnis bei den Lebenshaltungskosten durch die Abwesenheit des Klägers zu 2) unter der Woche wird schon durch
den Eigenanteil mehr als aufgezehrt.

Fachanwalt Sozialrecht Kiel Stephan Felsmann

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14 Gedanken zu “Ein Kind das im Internat unterrichtet wird ist Teil der Bedarfsgemeinschaft”

  1. Mich würde der Ausgangs des Einspruches interessieren, da wir nun in der gleiche Situation sind und man über 6000 Euro nachfordert seit 2012.

    Urteil 7C-C3-A1-B8-CF-52

  2. Wie ist es wenn ein 16j aufs Internat will in Verbindung mit Berufsschule ist er da noch in meiner Bedarfsgemeinschaf wie sieht es mit den Internats kosten aus 105 euro ohne verflegung muss ich die kosten alleine tragen

  3. Ich habe seit Jahren immer wieder Depressionen (auch starke). Bin alleinerziehend von zwei Kindern. Sohn ist 12 Jahre, Tochter ist 15 Jahre. Die Tochter ist schon reif für ihr Alter und der Sohn, ja da kann ich manchmal die Wände hoch gehen. Er hat wenig Lust für die Schule zu lernen, und wenn, dann mit viel Anstrengung von mir, lernt er schon etwas.
    Er hat ein Hobby, Fußball, und hat schon früh beim Bundesliga Verein (NLZ) gespielt und ist bekannt in seiner Stadt sowie Nachbarstädte. Jetzt habe ich als SGB II Bezieherin daran gedacht, dass mein Sohn auf ein Sport-Internat gehen könnte. Dort sind kleiner Schulklassen und sein Fußball hat er täglich mit auf dem Programm.
    Der Jobcenter verneinte zumindest nur den Grundsatz zu zahlen, und das Jugendamt sagte auch nicht positiv von der Zahlung zu. Ich habe eine Frage? Das Internat sagte anstatt 1800€ monatlich für Privatschule, Essen und täglich Fußball und das auf Leistungsebene, würde man als Ausnahme mit dem Regel bzw. Grundsicherungssatz von monatlich 300€ sich als zufrieden geben. Was kann ich jetzt machen um das ich dieses doch vom Jobcenter zugesagt bekomme bzw. welche Möglichkeit ist mir gegeben, das mein Sohn sein Talent an Fußball mit der Unterstützung einer Privatschule ermöglicht wird.

  4. Ich bin jetzt in der selben Situation, mein Sohn ist 12 Jahre und aufgrund seiner auditiven-verarbeitungs-wahrnehmungsstörung in einer Förderschule, die aber 80 km vom Wohnort ist und er deshalb im schülerwohnheim lebt in der Woche. Jetzt wird er nicht mehr angerechnet, nur die Wochenenden und in den Ferien wenn er zu Hause ist. Ist das rechtens so oder nicht?

    • Das kommt auf sehr viel Einzelheiten an. Ohne den Fall genau zu kenne würde ich sagen, dass der Teil für den Lebensbedarf nur anteilig zu berücksichtigen ist, der für die Kosten der Unterkunft jedoch voll.

  5. Moin Herr Felsmann,

    mein Fall ist von der Konstellation zwar etwas anders, knüpft jedoch an vorgenannten Sachverhalt an: Ich betreue ehrenamtlich einen 18jährigen Internatsschüler. Die Internatsunterbringung wird über die EGH finanziert. Er wohnt unter der Woche und außerhalb der Ferien im Internat und erhält einen Barbetrag abzüglich der anteiligen Kosten für die Internatsunterbringung. Sein monatliches Einkommen beläuft sich somit auf stolze 77,76 Euro. An den Wochenenden und in den Ferien lebt der Betroffene bei seiner Mutter. Diese lebt von ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente und erhält keine aufstockenden Leistungen vom Staat. Das Kindergeld geht an die Mutter. Sowohl Grundsicherung als auch Jobcenter argumentieren, der Betroffene lebe in einer Einrichtung, habe somit keinen Anspruch. Können Sie diese Aussage aus Ihrer Erfahrung bestätigen? Die Vorstellung, dass der Betroffene sich hier ausschließlich über seinen Barbetrag finanzieren muss, ist für mich völlig abwegig.

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