ALG II: Obdachlose auf zur ARGE


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Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg – L 29 B 2228/07 AS ER – hat entschieden, dass Obdachlose auch einen Anspruch auf Leistungen auf Arbeitslosengeld nach dem SGB II haben können. Sie müssen sich „nur“ täglich melden.

Das Landessozialgericht hat zwar die Einstweilige Anordnung wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch abgelehnt in diesem Fall abgelehnt, stellt aber klar, dass wenn ein Nichtsesshafter sich täglich bei dem Träger der Grundsicherung oder einer Betreuungseinrichtung meldet, er auch einen Anspruch auf ALG II hat.

Es bleibt abzuwarten, wie die ARGEn reagieren, wenn tatsächlich mal jemand diese Möglichkeit nutzt …

Das LSG schreibt in seiner Begründung:

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung zeigt – und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich

1. von Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich Kenntnis zu nehmen,
2. das Arbeitsamt aufzusuchen,
3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und
4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu der bei Ansprüchen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ebenfalls geltenden EAO ist es unverzichtbar, dass sich der Arbeitslose zu irgendeiner Tageszeit nach Eingang der Briefpost in seiner Wohnung aufhält, um der Forderung des § § 1 Satz 2 EAO zu genügen. Die Anforderungen des § 1 EAO hat der Arbeitslose jedenfalls erfüllt, wenn er sich einmal werktäglich in seiner Wohnung aufhält, um die Briefpost in Empfang und zur Kenntnis zu nehmen, und dieser Zeitpunkt nach dem Eingang der Briefpost liegt.

Bei Obdachlosen, wie dem Antragsteller, können diese Anforderungen mangels Vorhandenseins einer Wohnung nicht erfüllt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Obdachloser keine Leistungen nach dem SGB II beziehen kann. Der Gesetzgeber hat mit der Einfügung des § 36 Satz 3 in das SGB II zum 01. August 2006 deutlich gemacht, dass auch Nichtsesshafte Arbeitslosengeld II beziehen können sollen. Die Gesetzesbegründung lautet folgendermaßen:

„Die Regelung über die örtliche Zuständigkeit stellt bisher ausschließlich auf das Vorhandensein eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes ab. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass es Lebensumstände und dementsprechend Leistungsfälle geben kann, in denen ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht feststellbar ist oder nicht vorhanden ist. Gleichwohl sollen diese Menschen die Möglichkeit haben, an einer Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu partizipieren, ihre persönliche Situation zu stabilisieren und letztlich auch wieder sesshaft zu werden. Es handelt sich insoweit also um eine Regelungslücke, die adäquat geschlossen werden muss, um dem Gesetzeszweck Rechnung zu tragen und zu vermeiden, dass Menschen allein aufgrund ihrer atypischen Lebensgewohnheiten aus dem Grundsatz des Förderns und Forderns ausgeschlossen werden. Im Zweifel muss sich die örtliche Zuständigkeit daher am tatsächlichen Aufenthaltsort orientieren“.

Für Wohnungslose müssen die Anforderungen des § 1 Satz 2 EAO daher modifiziert werden. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass der Hilfesuchende jeden Tag für den Träger der Grundsicherung erreichbar ist. Dies ist nach Auffassung des Senats möglich durch eine tägliche persönliche Meldung des Hilfesuchenden bei dem Träger der Grundsicherung. Der Senat hat jedoch auch keine Bedenken gegen die von dem Antragsgegner vorgeschlagene Verfahrensweise, nämlich dass sich der Antragsteller täglich bei einer anerkannten Beratungs- und Betreuungseinrichtung, die sich dann im jeweiligen Zuständigkeitsbereich des entsprechenden Trägers der Grundsicherung befinden müsste, meldet und die sich verpflichtet, dem Träger der Grundsicherung mitzuteilen, wenn sich der Hilfesuchende dort nicht mehr meldet. Damit könnte den Anforderungen der EAO nachgekommen und gleichzeitig sichergestellt werden, dass der Träger der Grundsicherung erfährt, wenn sich der Hilfesuchende nicht mehr in seinem Zuständigkeitsbereich aufhält. Der Antragsteller müsste dem Antragsgegner eine entsprechende „Erreichbarkeitsbescheinigung“ vorlegen. Vordrucke hierfür sind beim Antragsgegner erhältlich. Auch müsste der Antragsgegner dem Antragsteller eine entsprechende Beratungs- und Betreuungseinrichtung benennen.

Solange der Antragsteller diesen Anforderungen nicht nachkommt, sich also nicht entweder jeden Tag persönlich bei dem Antragsgegner meldet oder eine Beratungs- und Betreuungseinrichtung angibt und sich jeden Tag bei dieser meldet, ist er nicht erreichbar und hat damit keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

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3 Gedanken zu “ALG II: Obdachlose auf zur ARGE”

  1. Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin seit 1 Monat wohnsitzlos durch eine zwangsraumung und jetzt wohne ich mal da mal da, kann ich Harz 4beantragen und eine neue Wohnung und kann ich versichert werden? Liebe grüße Hartmann

    • Man hat grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf Hartz 4 wenn man a dem Ort seinen Wohnsitz hat.
      Hier in Kiel gibt es zum Beispiel eine Anlaufstelle für Arbeitslose die auch Post annimmt.
      Hintergrund ist die Erreichbarkeit für „Einladungen“ vom Jobcenter.
      Man muss als einen Ort haben den man angeben kann und an dem man täglich (dem Briefkasten) einen Besuch abstattet.
      Ich hoffe das hilft ihnen weiter.

  2. Sehr geehrte Damen und Herren,

    frage für ein Freund der bald obdachlos wird und möchte ihn helfen damit er wieder klar kommt im Leben und wieder Fuß fassen kann.

    In Moment ist er noch in Delitzsch gemeldet und war schon mit ihm beim Amt aber da konnte uns auch keiner wirklich weiter helfen, daher wende ich mich vertrauensvoll an sie wie ich mich jetzt verhalten soll und helfen kann wo ich ihn ab und anmelden muss wenn er in Berlin wieder Fuß fassen will und er erstmal eine Wohnung erhält und Sozialleistungen damit er aus der Obdachlosigkeit erstmal schnell kommt und er sich dann zeitnah Arbeit suchen kann um schnell aus der Arbeitslosigkeit dann auch zu kommen.

    Welche Unterlagen werden gebraucht um das schnell über die Bühne zu bekommen.

    Wie ist der wegleitfaden welche Ämter ich mit ihm als erstes hin muss und mit welchen Unterlagen.

    Welches Bürgeramt muss ich ihn abmelden und wieder anmelden.

    Danke ihnen schon mal im Voraus.

    Mit freundlichen Grüßen

    D.Knorr

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