Meldetermin contra Kundengespräch


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Es ist ein Problem, das viele selbständige Aufstocker betrifft. Sie haben einen Kundentermin,  egal ob sie einer Arbeit zum Beispiel als Dozent, Handwerker oder als sonstiger Dienstleister nachgehen.

Das Jobcenter lädt Sie von Zeit zu Zeit zu sogenannten Meldeterminen ein. Wenn dann ein Kundentermin mit dem Meldetermin kollidiert, ist guter Rat teuer.

Einer meiner Mandanten hatte neulich so einen Fall. Er hat den Termin abgesagt und wurde daraufhin vom Jobcenter sanktioniert.

Das Sozialgericht Kiel hat den Fall nun in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz für den Hartz 4 Empfänger entschieden.

Als tragenden Grund hat das Gericht hervorgehoben, dass es nicht Sache des Jobcenters ist, zu beurteilen, ob ein Geschäftstermin wichtig – oder wichtiger – als ein Meldetermin ist.

Am Ende des Verfahrens kann ich folgenden Rat geben:

  • Wenn Sie eine Terminkollision zwischen einem Kundentermin und einem Meldetermin beim Jobcenter haben, dann  teilen Sie die Kollision dem Jobcenter sofort mit.
  • Sorgen Sie dafür, dass Sie nachweisen können, dass die Mitteilung das Jobcenter auch erreicht hat – zum Beispiel durch Eingangsstempel.
  • Besorgen Sie sich im Streitfall eine Bestätigung des Kunden, dass der Termin auch tatsächlich stattgefunden hat.

Wenn das Jobcenter Sie trotzdem sanktioniert, wehren Sie sich auf jeden Fall; die Erfolgsaussichten sind gut.

Das Gericht hat zur Begründung in seinem Beschluss Folgendes ausgeführt (bearbeitet und gekürzt):

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, denn der Sanktionsbescheid vom 12.03.2012 über die Absenkung des Arbeitslosengeldes II wegen des Eintritts einer Sanktion ist nach summarischer Betrachtung rechtswidrig; die Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 10% der für den erwerbsfähigen  Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihr zu melden, nicht nachkommt. Dies gilt gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II dann nicht, wenn der Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für sein Verhalten darlegt und nachweist.

Ein wichtiger Grund liegt allgemein vor, wenn dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Erscheinen unmöglich ist oder so erschwert wird, dass ein anderes Verhalten bei einer Abwägung seiner Interessen gegenüber den Interessen der Allgemeinheit unzumutbar erscheint.Das ist immer der Fall, wenn bei vergleichbaren Umständen ein Arbeitnehmer zum Fernbleiben von der Arbeit berechtigt wäre, also bei Erkrankungen (die aber ein Erscheinen unmöglich bzw. unzumutbar machen, was bei einer Arbeitsunfähigkeit nicht immer der Fall sein muss), der Wahrnehmung unaufschiebbarer Gerichtstermine oder Behördentermine usw.

Der Antragsteller hat vorliegend einen wichtigen Grund nachgewiesen. Er hatte zu dem vorgesehen Zeitpunkt des Meldetermins am 23.02.2012 um 10:30 Uhr einen beruflichen Termin in Form eines Gespräches mit dem als Zeugen gehörten Herrn XXX.

Sowohl der Antragsteller als auch der Zeuge haben übereinstimmend erklärt, dass sie sich am 23.02.2012 um 10:30 Uhr zu einem ersten Termin (…) getroffen hätten. Es liegt damit ein berufsbezogener Hinderungsgrund vor. Bei einer Abwägung der Interessen des Antragstellers, den geschäftlichen Erstkontakttermin mit dem Zeugen XXX wahrzunehmen und nicht vor dem Hintergrund der entgegenstehenden Einladung des Antragsgegners zu verschieben, überwiegt hier vor den Interessen der Allgemeinheit in Gestalt der Bemühungen des Antragsgegners, die Hilfebedürftigkeit des Antragsgegners zu beenden bzw. zumindest zu reduzieren. Aus dem Vermerk des Antragsgegners über den Termin am 23.02.2012 geht hervor, dass der  Antragsgegner dem Antragsteller anlässlich dieses Meldetermins eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt auszuhändigen beabsichtigte. Da die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes auch auf dem Postwege möglich gewesen wäre, ist den geschäftlichen Interessen des Antragstellers hier der Vorrang einzuräumen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller dem Termin nicht ohne Weiteres ferngeblieben ist, sondern den Antragsgegner zuvor schriftlich auf die Terminkollision am 23.02.2012 hingewiesen hat. Eine Reaktion des Antragsgegners erhielt er hierzu jedoch nicht. Es ist aus Sich der Kammer zudem nicht Sache des Antragsgegners, die Qualität und den sich möglicherweise aus dem geschäftlichen Termin ergebenden Gewinn in die vorzunehmende Abwägung zum wichtigen Grund gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II einzustellen.

SG Kiel Beschluss vom 30.05.2012; S 4a AS 100/12 ER

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Ein Gedanke zu “Meldetermin contra Kundengespräch”

  1. Danke Herr Felsmann,
    ich habe mir erlaubt Ihren Bericht hier http://www.alg-ratgeber.de/f16t9564-selbstaendige-aufstocker-meldetermin-contra-kundengespraech.html zu zitieren und zu verlinken.

    Traurig und letztlich nicht akzeptabel ist jedoch, dass hier der Kunde vor Gericht aussagen musste. Dadurch muss der Gewerbetreibende Aufstocker sich als ALG II-Bezieher beim Kunden outen, dazu werden nur wenige bereit sein.

    Aber immerhin hat das SG offensichtlich so Einiges richtig verstanden.

    MfG
    Horst Müller

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