Sozialgericht Kiel zur Schülermonatskarte für Kinder im SGB II Bezug


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Das Sozialgericht Kiel – S 30 AS 16/11 ER – hat in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz entschieden, dass die Kosten für eine Schülermonatskarte im Rahmen des SGB II Bezuges vom Jobcenter übernommen werden müssen. Dies ergebe sich aus § 21 Abs. 6  SGB II. Es handele sich insoweit um einen atypischen Bedarf. Auch die zusätzlichen Voraussetzungen seien erfüllt. Es handele sich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen, unabweisbaren atypischen oder um einen ausnahmsweise überdurchschnittlichen Bedarf.

Tipp:

Alle SGB II Empfänger, deren Kinder, zu einem Schulort fahren müssen der zu Fuß oder mit dem Fahrrad nicht täglich erreichbar ist und, die die Schülermonatskarte nicht bezahlt bekommen, sollten unbedingt einen Antrag auf Übernahme der Kosten der Schülermonatskarte bei dem für sie zuständigen Jobcenter stellen.

Das Sozialgericht Kiel hat zur Begründung folgendes ausgeführt (bearbeitet und gekürzt):

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten Für die Schülermonatskarte in Höhe von monatlich 41,97. Der Anspruch ergibt sich aus der ab dem 03.06.2010 geltenden Vorschrift des § 21 Abs. 6  SGB II. Nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist nach § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Laut Gesetzesbegründung (BT-Dts. 1711465, S. 8f.) soll die Regelung sicherstellen, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen nach dem SGB II erbracht werden. Ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II entstehe aber erst bei einem Längerfristigen, dauerhaften Bedarf, wenn dieser so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedüritigen gewährten Leistungen – einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen – das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. (…)

Der Antragstellerin fallen Kosten für ihre Schultermonatskarte an, die ohne Gewährung von Leistungen nach § 21 Abs. 6  SGB II von der Regelleistung zu decken wären. Die Antragstellerin kann insbesondere keine Leistungen von anderen Trägern beanspruchen.

So zählt sie als Schülerin der Jahrgangsstufe 11 nicht mehr zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach der landesrechtlichen Forderung der Schülerbeförderungskosten gemäß § 114 Schleswig-Holsteinisches Schulgesetz. (…)

Der somit anfallende Bedarf ist auch ein ausnahmsweise überdurchschnittlicher, ein atypischer Bedarf. Er ist nicht typischerweise von Leistungsempfängern aus den Mitteln ihrer Regelleistung zu decken ist. Es entspricht nicht dem Regelfall, dass Leistungsbeziehern nach dem SGB II Kosten für eine Schülermonatskarte entstehen. (…)

Bei den Kosten für eine Schülermonatskarte handelt es sich um einen laufenden und nicht nur einmaligen Bedarf. Die Kosten fallen für die Antragstellerin monatlich wiederholt an. (…)

Der Antragstellerin ist es nicht zuzumuten, die mindestens 11 km Entfernung mischen ihren Wohnort in F.. und der Schule in K.. zweimal täglich auf andere Weise als durch öffentliche Verkehrsmittel, zB. zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mittels Fahrgemeinschaften, zurück zu legen. Ferner kann die Antragstellerin nicht auf einen Abbruch der Schulausbildung verwiesen werden. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abc. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dabei kommt gerade der Bildung eine Schlüsselrolle zu gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe zu.

Der Mehrbedarf ist auch unabweisbar. So kann er nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Antragstellerin  gedeckt werden und weicht dennoch in seiner Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab. (…)

Schließlich weicht der Mehrbedarf seiner Höhe nach erheblich vom üblichen Bedarf ab. Mit einem zusätzlichen Bedarf von € 44.13 pro Monat bei einem monatlichen Regelsalz der Antragstellerin von derzeit € 287,00 stellt dies einen Anteil von mehr als 15% der gesamten Regelleistung dar. Zudem übersteigen die Kosten für die Schülermonatskarte den im Regelsatz enthaltenen Anteil für Verkehr um nahezu das Dreifache.

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