Tatsächliche Mietkosten sind bei nachgewiesenen intensiven Bemühungen um günstigere Wohnung länger zu gewähren


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Das Sozialgericht Düsseldorf – S 35 AS 59/07 – hat durch Gerichtsbescheid entschieden, dass eine negative Schufa-Auskunft einem Hilfebedürftigem im Einzelfall die Anmietung einer neuen Wohnung soweit erschwert, dass von der Behörde weiterhin die tatsächlichen Mietkosten zu übernehmen waren. Bei intensiven Bemühungen des Hilfebedürftigen um preiswerteren Wohnraum sei es damit Sache des Leistungsträgers, konkrete Unterkunftsalternativen für die Zeit nach einer Kostensenkungsaufforderung zu benennen.

Diese Entscheidung gibt all denjenigen Hoffnung, die sich intensiv um eine günstigere („angemessene“) Wohnung bemühen und dies auch entsprechend dokumentieren. Es bleibt abzuwarten ob weitere Gerichte dem Beispiel des SG Düsseldorf folgen. Nicht alle Sozialgerichte setzen die Vorgaben des Bundessozialgerichts im Bezug auf die konkrete Verfügbarkeit so konsequent um.

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Aus dem Bescheid (bearbeitet und gekürzt):

Sachverhalt:
(…) Der Kläger beantragte im April 2006 bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Unter dem 13.04.2006 wurden ihm daraufhin monatliche Leistungen in Höhe von 781,70 Euro für die Zeit vom 01.05.2006 bis zum 31.10.2006 bewilligt. Darin enthalten waren 436,70 Euro Kosten der Unterkunft.

Unter dem 29.05.2006 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die zu zahlende Grundmiete in Höhe von 353 Euro unangemessen hoch sei. Sie sei künftig nur noch bereit eine Grundmiete in Höhe von 255 Euro zu zahlen. Der Kläger sei verpflichtet, die Unterkunftskosten durch intensive Bemühungen auf ein angemessenes Maß zu senken.

Mit Bescheid vom 14.06.2006 erhöhte die Beklagte ihre Zahlungen an den Kläger rückwirkend auf insgesamt 805 Euro, wobei die Kosten der Unterkunft nunmehr in Höhe von 460 Euro übernommen wurden.

Unter dem 10. Juni 2006 teilte der Kläger mit, er sei selbstverständlich bemüht, die Kosten der Unterkunft zu reduzieren. Er habe schon diverse Anträge bei Wohnbaugesellschaften gestellt. In der Anlage zu seinem Schreiben fügte er Reaktionen der Wohngesellschaften bei. In dem Schreiben wies der Kläger im Übrigen darauf hin, dass er Verbraucherinsolvenz beim Amtsgericht L angemeldet habe. Aus diesem Grunde werde er von vielen Wohnbaugesellschaften abgelehnt. In der Folge fragte der Kläger wegen mehrerer Wohnungen bei der Beklagten an, ob er diese anmieten könne. Unter anderem hätte der Kläger eine Wohnung in der Tstraße 00 mit einer Grundmiete von 270,25 Euro anmieten können. Dies wurde jedoch von der Beklagten mit Schreiben vom 25.07.2006 abgelehnt. Unter dem 13. September 2006 wies der Kläger darauf hin, dass er inzwischen 60 Bewerbungen für Wohnungen erfolglos abgesandt habe. Für den Fall, dass die Arge weitere Nachweise und Unterlagen benötige bat er um Nachricht bzw. um ein Gesprächstermin.

Mit Bescheid vom 12.10.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.11.2006 bis zum 30.04.2007 nur noch monatliche Leistungen in Höhe von 725 Euro. Darin enthalten waren Kosten der Unterkunft in Höhe von 362 Euro monatlich. (…)

Entscheidungsgründe:

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch – SGB II – werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen ( …) so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen ( …) nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

In Anwendung dieser Vorschrift hat der Kläger für den hier fraglichen Zeitraum Anspruch auf seine tatsächlichen Unterkunftskosten, weil es ihm nicht möglich war, die Unterkunftskosten zu senken.

Die Kammer folgert dies aus den vom Kläger dokumentierten intensiven Bemühungen um preiswerteren Wohnraum, und aus den Ermittlungen und Nachfragen des Gerichts und der Beklagten. Diese Ermittlungen haben ergeben, dass Wohnraum für die Person des Klägers, über den eine negative Schufa-Auskunft vorliegt, nur in ganz geringem Umfang zur Verfügung steht und es dem Kläger daher zwischenzeitlich verwehrt war, Wohnraum anzumieten, der den Kriterien der Beklagten entspricht.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kommt es darauf an, ob für den Kläger eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar war. In Anbetracht der vom Kläger angegebenen und dokumentierten Wohnungssuchaktivitäten ist es nunmehr Sache der Beklagten gewesen, konkrete Unterkunftsalternativen für die Zeit nach der Kostensenkungsaufforderung zu benennen. Dies ist der Beklagten zunächst nicht gelungen. Auf die Aufforderung des Gerichts vom 29.11.2007, eine konkret anmietbare Wohnung zu benennen, musste die Beklagte sogar einräumen, dass bei städtischen Wohnungsbaugesellschaften gar keine Wohnungen im entsprechenden Preissegment frei sind, was den Schluss zulässt, dass Wohnraum für den Kläger – als Hilfeempfänger mit negativer Schufaauskunft – erst Recht nur schwerlich zu erlangen war.

Dagegen hat der Kläger im gesamten Verfahren seine Bereitschaft zur Senkung der Unterkunftskosten gezeigt und letztlich auch eine entsprechende Wohnung angemietet. Mit dieser Anmietung hat der Kläger nachgewiesen, dass er im Verwaltungsverfahren die Anmietung einer den Grundsätzen der Beklagten entsprechenden Wohnung nicht boykottiert hat. Für einen solchen Boykott fehlen auch im Übrigen jegliche tatsächliche Anhaltspunkte. Nach alledem ist das Gericht der Überzeugung, dass es dem Kläger im fraglichen Zeitraum nicht möglich war, eine angemessene Wohnung anzumieten.

Bei dieser Sachlage kann es dahinstehen, ob die vom Kläger ursprünglich bewohnte Wohnung tatsächlich – wie von der Beklagten behauptet – unangemessen teuer war.

Die Beklagte hat dem Kläger im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe von 362 Euro gewährt. Die tatsächlichen Kosten betrugen 460 Euro. Daraus errechnet sich der im Tenor ausgewiesene Betrag von 588 Euro. (…)

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