Unzulässigkeit der Aufrechnung mit dem Erstattungsanspruch im Rahmen von Hartz 4


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Das Sozialgericht Koblenz hat schon am 05.04.2007 (Aktenzeichen: S 11 AS 635/06) entschieden, dass laufende Geldleistungen nach dem SGB 2 nach § 43 S 1 SGB 2 mit einem Erstattungsanspruch nur aufgerechnet werden dürfen, wenn der Erstattungsanspruch darauf beruht, dass der Hilfebedürftige vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat. Wenn der Erstattungsanspruch auf der Anrechnung erzielten Nebeneinkommens beruht, das der Hilfebedürftige ordnungsgemäß angezeigt hat, darf während des Bezuges von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Aufrechnung nicht erfolgen.

Das Sozialgericht begründet seinen Entscheidung im wesentliche wie folgt (bearbeitet und gekürzt):

Die von der Beklagten im Bescheid vom 06.09.2006 erklärte Aufrechnung ist rechtswidrig. (…)

Nach § 43 Satz 1 SGB II können Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bis zu einem Betrag von 30 v. H. der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit Ansprüchen der Träger von Leistungen nach dem SGB II aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadenersatz handelt, die der Hilfebedürftige durch vorsätzliche oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst hat. Nach § 43 Satz 3 SGB II ist die Aufrechnungsmöglichkeit auf 3 Jahre beschränkt. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt, hat der Leistungsträger gemäß § 43 Satz 1 SGB II („können“) eine Ermessensentscheidung zu treffen, die sich in ein Erschließungs- wie auch ein Auswahlermessen aufgliedert. Die Ermessensentscheidung ist nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X zu begründen, der Leistungsempfänger ist sowohl vor Erlass eines Aufrechnungsbescheides als auch vor einer nicht als Bescheid zu qualifizierenden Aufrechnungserklärung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 24 Abs. 2 Nr. 7 SGB X anzuhören, soweit die Aufrechnungssumme mehr als 70 € beträgt.

Durch die Erzielung von Nebeneinkommen in den Monaten Juli und August 2006 ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die beim Erlass des Bewilligungsbescheides vom 08.03.2006 vorgelegen haben, eingetreten. Die Beklagte hat daher zu Recht die Leistungsbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben, da der Kläger Einkommen erzielt hat, dass zur Minderung seines Leistungsanspruches auf Grundsicherung für Arbeitsuchende geführt hat. Dies wird vom Kläger im Klageverfahren auch nicht bestritten. Die Beklagte durfte auch, was vom Kläger ebenfalls nicht bestritten wird, nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Erstattung der bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 160,00 € geltend machen. Auch insoweit werden vom Kläger Einwendungen gegen den Bescheid vom 06.09.2006 nicht erhoben.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43 Satz 1 SGB II sind jedoch vorliegend nicht erfüllt, so dass eine Aufrechnung der Erstattungsforderung mit den laufenden Geldleistungen nicht möglich ist. § 43 SGB II stellt eine Abweichung von der Grundregelung des § 51 Abs. 1 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuches (SGB I) dar. Nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut setzt die Vorschrift voraus, dass der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständige Angaben die Gewährung ihm nicht zustehender Leistungen veranlasst hat. Insoweit wird inhaltlich die Bestimmung des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X wiederholt, so dass nur beim Vorliegen eines Erstattungsbescheides, der sich auf diese Bestimmung stützt, in der Regel eine Aufrechnung möglich ist. In allen anderen Fällen ist eine Aufrechnung nach § 43 Satz 1 SGB II während des laufenden Leistungsbezuges ohne ausdrückliche Zustimmung des Leistungsempfängers ausgeschlossen. Diese Regelung entspricht der Grundkonzeption des SGB II, dass durch die gewährten Leistungen das zum Lebensunterhalt unbedingt Notwendige gewährt wird und die Absenkung einer solchen Leistung nur in Ausnahmefällen, beispielsweise im Falle der rechtmäßigen Verhängung einer Sanktion nach § 31 SGB II oder bei vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig gemachten Angaben, erfolgen darf. In allen anderen Fällen ist die Aufrechnung laufender Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit in der Vergangenheit überzahlter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende grundsätzlich ausgeschlossen. Die der Kammer bekannte weit verbreitete Verfahrensweise der Leistungsträger, in der Vergangenheit zu hoch gezahlte Leistungen durch Kürzung laufender Leistungen ohne Zustimmung der Leistungsempfänger aufzurechnen, obwohl die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht vorliegen, ist daher mit § 43 SGB II nicht zu vereinbaren.

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2 Gedanken zu “Unzulässigkeit der Aufrechnung mit dem Erstattungsanspruch im Rahmen von Hartz 4”

  1. Moin Moin.
    Grundsätzlich habe ich nichts gegen Aufrechnung, soweit sie Sachgerecht und von beider Seiten im Einvernehmen getätigt werden, was bis her auch bei mir so war.
    Leider hat sich der Kreis Schleswig-Flensburg ( Jobcenter Eggebek ) zu einen neuen Verfahren gegenüber ihre Kunden entschlossen.

    Eine Aufrechnung wird mit einer „zu Unrecht erhaltenen Leistung “ begründet ( angemeldete geringfügigkeite Tätigkeit ), sowie mit dem Merksatz „Zitat : Zwar stellt die Aufrechnung eine finanzielle Mehrbelastung für Sie dar, Allerdings wiegen die Folgen einer Nichtaufrechnung für die Öffentlichkeit schwerer. ………………………………………….. “ es folgt noch weiteres womit der „Kunde “ ein schlechtes Gewissen erhalten soll/muß.

    Alle Bescheide sind vom 18.11.2014
    Frage also ist die Unterstellung einer Unrechtmäßigkeit nicht schon unzulässig, da meine Mitarbeit stets gegeben war/ist

    Mit freundlich Gruß
    Carsten L.

    • Erst mal sorry für die späte Antwort. Ein Widerspruch gegen eine Aufrechnung hat noch aufschiebende Wirkung. Daher würde ich erst Mal Widerspruch einreichen. Wenn dann die eigentliche Rückforderung rechtmäßig ist kann man ja in Raten zahlen.

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