Urteil des Bundessozialgerichtes zu Stromkosten bei Hartz IV – Betroffene sollten Widerspruch prüfen


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Nach dem Urteil zu den Strom- und Warmwasserkosten vom 27.02.2008 sollten die Bezieher von Grundsicherungsleistungen Ihre Bescheide wegen zu zu viel einbehaltener Stromkosten überprüfen oder überprüfen lassen.

Dazu hat der Dachverband der unabhängiger Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen aufgerufen:

„Die in vielen Kommunen geltende Rechtspraxis, von Sozialleistungen pauschal festgelegte Prozentwerte der Wohnkosten für Strom und Warmwasserbereitung abzuziehen, ist nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes nicht mehr rechtmäßig.

Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass die monatlichen Abzüge für Haushaltsenergie, die von den Betroffenen zu tragen seien, 20,74 Euro im Monat nicht übersteigen dürfen (Verfahren: B 14/7b AS 64/06 R).

„Das Bundessozialgericht hat geurteilt, dass Hartz IV-Beziehern monatlich nicht mehr als 20,74 Euro für Stromkosten von ihrem Regelsatz von 347 Euro abgezogen werden dürfen. Damit ist das Verwaltungshandeln vieler Kommunen, Menschen einen bestimmten Prozentsatz der Mietkosten für Strom von ihrem Regelsatz abzuziehen, der diesen Betrag übersteigt, rechtlich nicht mehr haltbar.“ so Andreas Geiger, Vorsitzender der BAG-SHI.

„Wir raten den Betroffenen daher bei den zuständigen Stellen nachzuforschen, auf welcher Basis ihnen Kosten für Warmwasser- und Stromverbrauch, abgezogen werden. Das rechtliche Mittel hierzu ist der Widerspruch, den Betroffene gegen die aktuell für sie gültigen Bescheide einlegen sollten. Wenn sich dabei herausstellt, dass mehr als 20,74 Euro einbehalten werden, müssen die geltenden Bescheide geändert werden und die Kommunen müssen die zusätzlichen Kosten übernehmen.“

Medieninformation Nr. 9/08 zu BSG Urteil vom 27.02.2008 Az.: B 14/7b AS 64/06 R

Kosten der Warmwasserbereitung können grundsätzlich von den Kosten der Unterkunft abgezogen werden

Der Kläger des Verfahrens begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er wendet sich vor allem gegen die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie für Mehr­bedarfe beim Lebensunterhalt. Der beklagte Grundsiche­rungsträger hat zum einen von den Auf­wendungen für Unterkunft und Hei­zung einen Betrag von 9 € für die Bereitung von Warmwasser so­wie 19 € für in der Pauschalmiete enthaltene Stromkosten abge­zogen, weil die Kosten für Haushalts­energie bereits in der Regelleistung enthalten seien. Dies hält der Kläger für rechtswidrig. Zum ande­ren macht der Kläger geltend, wegen der bei ihm ärztlicherseits diagnostizierten Krankheit „Schluck­beschwerden“ bedürfe er einer „Vollkost-Ernährung“. Hierbei han­dele es sich um eine kostenaufwän­dige Ernährung. Der von der Beklagten zugestandene Mehrbedarf in Höhe von 25,56 € monatlich sei bei weitem zu gering. Die Klage war in der ersten Instanz teilweise erfolgreich; das Landessozial­gericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 27. Februar 2008 in dem Verfahren B 14/7b AS 64/06 R das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Ent­scheidung an das Landessozialgericht zu­rückverwiesen.

Dem Kläger stehen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu. Grundsätzlich sind Leistungen für Warmwasserbereitung und Strom bereits in der Regelleistung enthalten. Der vom beklagten Grundsicherungsträger vorgenommene Abzug von den Aufwendungen für Unterkunft und Hei­zung in Höhe von insgesamt 28 € monatlich (9 € für die Bereitung von Warmwasser sowie 19 € für in der Pauschalmiete enthaltene Stromkosten) war der Höhe nach allerdings nicht gerechtfertigt. Ein Abzug für Kosten der Haushaltsenergie ist insgesamt nur insoweit zulässig, als diese bereits in der Regel­leistung enthalten sind. Dies ist in Höhe von 20,74 € monatlich der Fall; hiervon entfällt ein Anteil von 6,22 € auf die Kosten der Warmwasserbereitung.

Ob dem Kläger auch höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen, weil er einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung geltend machen kann, konnte der Senat wegen unzureichender Feststellungen des Landessozialgerichts nicht entscheiden. Das Landessozialgericht hat keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die dem Kläger von seiner Hausärztin bescheinigten Erkrankungen einen höheren Aufwand bei der Ernährung zur Folge haben. Der Beklagte konnte die Höhe des Mehrbedarfs wegen der Erforderlichkeit von „Vollkost-Ernährung“ nicht allein deshalb auf monatlich 25,56 € begrenzen, weil dieser Betrag in den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge für „Vollkost-Ernährung“ aufgeführt wird. Die Empfehlungen sind generelle Anhaltspunkte für die Verwaltungspraxis, die den Grundsicherungsträger dann nicht von der Notwendigkeit entbinden, den Sachverhalt weiter aufzuklä­ren, wenn der Hilfebedürftige einen höheren Bedarf (etwa wegen des Vorliegens mehrerer Erkrankun­gen) geltend macht.

Vorschriften:

§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II
„Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.“

§ 21 SGB II
(5) „Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernäh­rung bedürfen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener Höhe.
(6) Die Summe des insgesamt gezahlten Mehrbedarfs darf die Höhe der für erwerbsfähige Hilfe­bedürftige maßgebenden Regelleistung nicht übersteigen.“

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