LAG Schleswig Holstein: Betriebliche Übung bei Weihnachtsgeld in Altersteilzeit


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Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat entschieden – 6 Sa 440/07, dass ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Weihnachtsgeld auf betriebliche Übung stützen kann. Dies gilt unabhängig davon ob sich der Arbeitnehmer in Altersteilzeit befindet.


Sachverhalt:
Die Parteien streiten um Zahlung anteiligen Weihnachtsgelds für das Jahr 2006. Der Kläger arbeitet seit 1985 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Wachmann im Kernkraftwerk B…. Für das Arbeitsverhältnis war zuletzt der Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2004 maßgeblich. Dort finden sich in Ziffer 5 unter der Überschrift „Anerkennung von Tarifverträgen“ u. a. folgende Regelungen: „Für das Objekt B… gilt folgende Regelung: Die Höhe des Entgelts richtet sich nach dem jeweils gültigen Lohntarifvertrag für das Bewachungsgewerbe im Land N…. … Es gilt der Manteltarifvertrag des Landes Schleswig-Holstein, soweit dies nicht durch Betriebsvereinbarung abweichend geregelt ist.“ Der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Land Schleswig-Holstein ist seit dem Jahr 2001 allgemeinverbindlich.
Mit Änderungsvertrag vom 25.07.2005 (Anlage K 2 = Bl. 10 ff d. A.) vereinbarten die Parteien die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.10.2006 in Form eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. (…)

Entscheidungsgründe:
Der Anspruch des Klägers folgt zwar nicht aus der Betriebsvereinbarung vom 10.03.2006, denn diese ist wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG rechtsunwirksam. Der Kläger kann seinen Anspruch aber auf betriebliche Übung stützen. (…)

Im Ergebnis hat das Arbeitsgericht den Anspruch des Klägers auf (anteiliges) Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 dennoch zu Recht bejaht, denn der Anspruch folgt jedenfalls aus betrieblicher Übung.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers vertragliche Ansprüche auf eine Leistung begründen, wenn der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durfte, ihm werde die Leistung auch künftig gewährt. Bei Sonderzuwendungen wird ein individualrechtlicher Anspruch erworben, wenn die Leistungen in drei aufeinanderfolgenden Jahren vorbehaltlos und in der gleichen Höhe gewährt werden.

b) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte unstreitig bereits vor der Allgemeinverbindlicherklärung des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Schleswig-Holstein vom 07.09.2000 am 10.07.2001 dem Kläger und seinen Kollegen ein nach § 9 MTV Ns bemessenes Weihnachtsgeld gezahlt. Diese vorbehaltlose Zahlung in mehr als drei aufeinanderfolgenden Jahren begründet einen vertraglichen Anspruch zugunsten des Klägers auch künftig Weihnachtsgeld in der Höhe zu erhalten, wie es sich aus dem MTV Ns ergibt. Richtig ist, dass ein Anspruch aus betrieblicher Übung nur entstehen kann, wenn für den fraglichen Anspruch keine andere Rechtsgrundlage besteht. Denn dann muss der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass der Arbeitgeber lediglich den anderweit begründeten Anspruch erfüllen will.
Der MTV Ns stellt aber keine andere Rechtsgrundlage in diesem Sinne da. Ungeachtet aller weiteren Voraussetzungen fällt der Kläger bereits nicht in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages. Dieser gilt in räumlicher Hinsicht nur für das Land N…. Die der anspruchbegründenden betrieblichen Übung nachfolgende Betriebsvereinbarung vom 10.03.2006 verdrängt diese nicht. Zum einen ist sie – wie oben ausgeführt – unwirksam; zum anderen enthält die Betriebsvereinbarung keine günstigeren Normen. Sie spiegelt die bereits vorher entstandene betriebliche Übung lediglich wieder.

c) Gegen die Berechnung des (anteiligen) Weihnachtsgeldes für das Jahr 2006 durch den Kläger hat sich die Beklagte nicht gewandt. Der in der Klagschrift dargestellte Rechenweg vollzieht auf der Grundlage der unstreitigen Vergütungszahlungen für das Jahr 2005 die tarifliche Regelung des § 9 MTV Ns nach.

3. Die im zweiten Rechtszug erklärte Aufrechnung der Beklagten geht ins Leere. Sie ist zwar zulässig i. S. v. § 533 ZPO, denn sie ist zumindest sachdienlich und wird auf bereits erstinstanzlich vorgetragene Tatsachen gestützt. Der Beklagten steht aber keine aufrechenbare Gegenforderung zu. Der Kläger ist nicht um überzahltes Altersteilzeitentgelt ungerechtfertigt bereichert.

a) Die Beklagte hat bereits nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger überzahlt worden ist. Dazu hätte sie die von ihm ab dem 01.10.2006 zu beanspruchende monatliche Altersteilzeitvergütung berechnen und dem so ermittelten Betrag die tatsächlich geleisteten Zahlungen gegenüberstellen müssen.
Eine monatliche Überzahlung in der von der Beklagten behaupteten Höhe von 167,27 EUR brutto liegt jedenfalls nicht vor. Bei diesem Betrag handelt sich um 1/12 des dem Kläger im Jahr 2005 gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes. Dieser Betrag ist dem Kläger jedoch ab Oktober 2006 nicht monatlich ausgezahlt worden. Er ist lediglich aus der der Vergütungsberechnung zugrunde gelegten Jahresvergütung nicht heraus gerechnet worden. Das verdeutlicht ein Blick auf die Berechnung des Altersteilzeitentgelts auf Seite 6 des Altersteilzeitvertrages (vgl. Bl. 15 d. A.). Eine Überzahlung kann sich aber überhaupt nur und in der Höhe ergeben, in der das gezahlte von dem zu beanspruchenden Altersteilzeitentgelt (im Rechenbeispiel grau unterlegter Kasten) abweicht.

b) Unabhängig davon sieht § 4 Ziff. 1 des Altersteilzeitvertrags vor, dass der Kläger für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eine Vergütung nach Maßgabe von § 7 TV ATZ erhalten soll. Der Altersteilzeitvertrag verweist insoweit also auf die tariflichen Regelungen. In § 7 des einschlägigen Tarifvertrags ist bestimmt, dass der Beschäftigte für die Dauer des Altersteilzeitverhältnisses eine der Hälfte der für ihn maßgeblichen Zeit entsprechenden Teilzeitmonatsvergütung basierend auf dem tariflichen Monatslohn erhält, sowie eine Aufstockungsleistung gemäß § 8 Ziff. 2 TV ATZ. Für die Bemessung der Aufstockungsleistung wiederum ist vom Vollzeitbruttoarbeitsentgelt gemäß § 8 Ziff. 3 TV ATZ auszugehen. Es errechnet sich aus dem im vergangenen Kalenderjahr erworbenen Bruttojahreslohn, dividiert durch 12. Zum Bruttojahreslohn im Sinne des Tarifvertrags zählt auch das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, denn auch hierbei handelt es sich um Lohn der im vergangenen Kalenderjahr erworben worden ist. (…)

Vorinstanz: 2 Ca 359 e/07 ArbG Elmshorn

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