ArbG Hamburg: Entschädigung wegen religionsbedingter Benachteiligung


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Das Arbeitsgericht Hamburg – 20 Ca 105/07 hat entschieden, dass der Ausschluss einer muslimischen Bewerberin aus dem Auswahlverfahren um die Besetzung einer von einer Einrichtung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland ausgeschriebenen Stelle einer Sozialpädagogin für ein aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie des Bundes finanziertes Projekt zur beruflichen Integration von Migrantinnen und Migranten wegen Nichtzugehörigkeit zur christlichen Religion verstößt in unzulässiger Weise gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG und begründet einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 AGG. Die Voraussetzungen für eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht der evangelischen Kirche oder auf eine nach der Art der Tätigkeit gerechtfertigte berufliche Anforderung im Sinne von § 9 AGG sind in einem solchen Fall nicht gegeben.

Aus dem Urteil (bearbeitet und gekürzt):
Sachverhalt
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Die Klägerin begehrt Entschädigung wegen religionsbedingter Benachteiligung durch den Beklagten in einem Verfahren zur Besetzung der Stelle einer Sozialpädagogin für ein Teilprojekt der EQUAL-E.N.

Der Beklagte, der für H. zuständige D., ist als solcher Teil der Nordelbischen Evangelisch-lutherischen Kirche (NEK) und damit der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Die von dem Beklagten im H. Wirkungsbereich repräsentierte Diakonie versteht sich als unmittelbare Lebens- und Wesensäußerung der christlichen Kirche.

Die Kläger ist Deutsche türkischer Herkunft und gehört nicht einer christlichen Kirche an.

Mit Stellenanzeige vom 30. November 2006 (Blatt 17 d. A.) suchte der Beklagte zum 01. Februar 2007 projektbedingt befristet bis zum 31. Dezember 2007 für den Vorstandsbereich Soziales und Ökumene /Fachbereich Migration und Existenzsicherung eine/n Sozialpädagogin/en für das Teilprojekt „Integrationslotse H.“ der Equal-E.N..

In der Stellenanzeige heißt es u. a.:

„Dieses Projekt ist ein Schulungs- und Informationsangebot für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Bereich der beruflichen Integration von erwachsenen Migrantinnen und Migranten.
Zu den Aufgaben dieser Position gehören der inhaltliche Ausbau der Rubrik „Fachinformationen“ …, die Erstellung von Informationsmaterial, die Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen sowie die Arbeit in den Strukturen und Gremien des Fachbereichs Migration und Existenzsicherung.
Sie verfügen über ein abgeschlossenes Studium der Sozialwissenschaft/Sozialpädagogik (o. Ä.), Erfahrungen in der Projektarbeit sowie Erfahrungen und Kompetenzen in den Themenbereichen Migration, Arbeitsmarkt und Interkulturalität. Sie besitzen zudem sichere EDV-Anwender- und Internetkenntnisse. Für Sie sind sowohl das eigenständige Arbeiten als auch das konstruktive Arbeiten im Team selbstverständlich.
Als diakonische Einrichtung setzen wir die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche voraus. …“

Die Klägerin, die nicht über ein abgeschlossenes Hochschulstudium verfügt, bewarb sich mit Schreiben vom 24. Dezember 2006 (Blatt 22 d. A. nebst Anlagen Blatt 18-21 d. A.) um diese Stelle. Auf diese Bewerbung erhielt die Klägerin am 02. Januar 2007 den Anruf einer Mitarbeiterin des Beklagten, die der Klägerin erklärte, deren Bewerbung sei sehr interessant, lasse jedoch die Frage der Religionszugehörigkeit unbeantwortet. Auf die Erklärung der Klägerin, sie praktiziere keine Religion, sei aber als Türkin gebürtige Muslimin, fragte die Mitarbeiterin des Beklagten, ob die Klägerin sich den Eintritt in die Kirche vorstellen könne, da dies unbedingte Voraussetzung für die Stelle sei. Die Klägerin erwiderte, sie halte dies nicht für nötig, da die Stelle keinen religiösen Bezug aufweise.

Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 3.900,00 gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AGG i. V. m. §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 AGG zu.

1.) Die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin auf die Stellenanzeige vom 30. November 2001 bezüglich einer Sozialpädagogin für das Teilprojekt „Integrationslotse H.“ stellt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 i. V. m. §§ 1, 2, 3 AGG festgelegte Benachteiligungsverbot dar.

a) Die Bewerbung der Klägerin auf die fragliche Stelle ist unstreitig wegen der Religion der Klägerin von dem Beklagten nicht berücksichtigt worden.

Diese Benachteiligung der Klägerin im Einstellungsverfahren ist unzulässig.

Die unterschiedliche Behandlung der Klägerin wegen ihrer Religion erfüllt nicht die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 1 AGG.

Gemäß §9 Abs.2 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

aa) Mit der Vorschrift des § 9 AGG macht der Gesetzgeber Gebrauch von den Optionen zur Ausgestaltung der unterschiedlichen Behandlung wegen der Religion in kirchlichen Einrichtungen, wie sie in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 niedergelegt sind. Art. 4 Abs.2 RL 2008/78/EG lautet:

„Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, Bestimmungen in ihren zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften beibehalten oder in künftigen Rechtsvorschriften Bestimmungen vorsehen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie bestehende einzelstaatliche Gepflogenheiten widerspiegeln, und wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Eine solche Ungleichbehandlung muss die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund.“

Die darin enthaltene Bestandsschutzklausel erklärt es für zulässig, das nationale Staatskirchenrecht bestehen zu lassen. Die bestehenden einzelstaatlichen Gepflogenheiten müssen nicht angepasst werden. Die mitgliedstaatlichen Ausnahmen für die berufliche Tätigkeit in religiösen Organisationen dürfen jedoch nicht über das nach Art. 4 Abs. 2 zulässige Maximum hinausgehen .

Daran ändert auch der Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie nichts. Er verweist auf die der Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam beigefügten Erklärung Nr.11, in der die Europäische Union zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften ausdrücklich anerkannt hat, dass sie den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt.

Die Erklärung Nr.11 ist eine politische Absichtserklärung, die im Text des Unionsvertrages selbst nicht enthalten ist, und besitzt als solche keine rechtliche Verbindlichkeit.

Die Befugnisse der Mitgliedsstaaten werden durch Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie gerade konkretisiert. Eine weitergehende, im Richtlinientext selbst nicht enthaltene Ausnahme vom Benachteiligungsverbot kann nicht aus einer Begründungserwägung abgeleitet werden, die lediglich allgemein die Zulassung von Ausnahmen begründet.

Die Richtlinie bindet eine Differenzierung nach der Religion daran, dass diese nach Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Die Rechtfertigungswirkung hat mithin einen Tätigkeitsbezug, der eine unterschiedslose Forderung nach Religionszugehörigkeit problematisch macht.

Das nationale Recht ist richtlinienkonform auszulegen, um einen Widerspruch zum europäischen Recht zu vermeiden.

bb) Der Beklagte ist Adressat der Vorschrift des § 9 Abs. 2 AGG. Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Abs. 3 WRV garantiert den Religionsgesellschaften, also auch der Kirche, die Freiheit, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten.

Diese Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie kommt nicht nur den Kirchen und deren rechtlich selbständigen Teilen zu Gute, sondern allen der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck und ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 04. Juni 1985 – 2 BvR 1703, 1718/38 und 856/84 – E 70, S. 138 f).

Das DW der EKD gehört ohne Zweifel zu solchen Einrichtungen der Evangelischen Kirche.

cc) Das Selbstverständnis des Beklagten als Einrichtung der Evangelischen Kirche ist richtlinienkonform auszulegen.

Nach dem Selbstverständnis der Evangelischen Kirche umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit in der Welt, wie es ihrer religiösen und diakonischen Aufgabe entspricht.

Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gewährleistet den Kirchen, darüber zu befinden, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben soll und in welchen Rechtsformen sie wahrzunehmen sind. Die Kirchen sind dabei nicht darauf beschränkt, für den kirchlichen Dienst besondere Gestaltungsformen zu entwickeln, sie können sich auch der jedermann offenstehenden Privatautonomie bedienen, um ein Dienstverhältnis zu begründen und zu regeln. Die im Selbstbestimmungsrecht der Kirchen enthaltene Ordnungsbefugnis gilt nicht nur für die kirchliche Ämterorganisation, sondern allgemein für die Ordnung des kirchlichen Dienstes. Bedienen sich die Kirchen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt jedoch deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts der Kirche bleibt für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich. Die Gestaltungsfreiheit des kirchlichen Arbeitgebers nach Artikel 37 Abs. 3 Satz 1 WRV für die auf Vertragsebene begründeten Arbeitsverhältnisse steht unter dem Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes. Der Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck ist durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen. Dabei ist dem Selbstverständnis der Kirchen ein besonderes Gewicht beizumessen, das auch bei der Interpretation des Individualarbeitsrechts zu beachten ist (Bundesverfassungsgericht a.a.O.).

Danach bestimmt sich die Reichweite des für die Kirche bestehenden Privilegs insbesondere auch hinsichtlich der Entscheidung, ob die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter der christlichen Kirche angehören müssen oder nicht, allein nach ihrem Selbstverständnis. Dem folgt auch der Beklagte mit der von ihm in diesem Rechtsstreit vertretenen Auffassung.

Die uneingeschränkte Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Ausnahmeklausel des § 9 AGG begegnet jedoch in der arbeitsrechtlichen Literatur erheblicher Kritik.

Danach muss der Begriff des Selbstverständnisses im Kontext des § 9 Abs. 1 AGG neu und restriktiver interpretiert werden, um richtlinienkonform zu sein. Bei der Auslegung der Auswirkungen des Selbstverständnisses müsse berücksichtigt werden, dass sich die aus § 9 Abs. 1 abgeleitete Privilegierung des kirchlichen Arbeitgebers auf wesentliche berufliche Anforderungen beziehe. Diese in Artikel 4 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie, nicht aber in § 9 Abs. 1 enthaltene Begrenzung verdeutliche, dass sich aus dem „Selbstverständnis“ kein allgemeiner Anspruch auf unterschiedliche Behandlung ableiten lasse. Ein solcher könne sich nur auf den „wesentlichen“ Kernbereich von Berufsfeldern beschränken, die inhaltlich direkt mit der Vermittlung der Inhalte der Religion befasst seien oder die der unmittelbaren Ausübung des Glaubens oder der Anschauung dienten. Eine solche Auslegung werde auch gestützt durch den Erwägungsgrund 23 der Richtlinie, der ausdrücklich nur von „sehr begrenzten Bedingungen“ spreche, unter denen eine „unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein kann“.

Vor diesem Hintergrund könne das Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft kein absoluter und abschließender Maßstab mehr für die Bewertung der Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung sein.

Ausgehend von diesen Überlegungen, denen sich die entscheidende Kammer in vollem Umfang anschließt, steht es der Kirche und damit dem Beklagten entgegen dessen Auffassung nicht frei, berufliche Anforderungen für eine jedwede Tätigkeit in seinem Wirkungskreis zu definieren und damit zur Voraussetzung für eine Einstellung zu machen, ohne dass es noch auf eine spezifische Rechtfertigung für die daraus folgende unterschiedliche Behandlung ankommt. Für die konkrete Tätigkeit darf das Selbstverständnis des Beklagten nur dann eine entscheidende Rolle spielen, wenn diese dazu in einer direkten Beziehung steht.

Unter Beachtung des so verstandenen Selbstverständnisses der Kirche hat die Beurteilung zu erfolgen, ob die Religion von Beschäftigten im Hinblick auf das Selbstverständnis der Kirche oder nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.
dd) Für die hier in Frage stehende Stelle einer Sozialpädagogin im Rahmen des Teilprojekts „Integrationslotse H.“ ist die Zugehörigkeit zur christlichen Kirche und damit die christliche Religion keine in Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Beklagten gerechtfertigte berufliche Anforderung.

Das Selbstbestimmungsrecht, das in Artikel 137 Abs. 3 WRV seinen direkten Ursprung hat, beinhaltet das Recht der Kirche, alle eigenen Angelegenheiten gemäß den spezifischen kirchlichen Ordnungsgesichtspunkten rechtlich gestalten zu können. Auf die insoweit oben zitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts wird verwiesen.

Diese weitreichenden Befugnisse berechtigen die Kirche jedoch nicht festzulegen, dass alle Tätigkeiten unabhängig von dem konkreten Tätigkeitsbezug nur von Angehörigen der kirchlichen Gemeinschaft besetzt werden können. Eine solche Festlegung stünde in offenkundigem Widerspruch zu der Vorgabe der Rahmenrichtlinie, nach der nur wesentliche berufliche Anforderungen festgelegt werden dürfen.

Bei richtlinienkonformer Auslegung ist es zulässig, wenn der kirchliche Arbeitgeber in Ausfüllung des Selbstbestimmungsrechtes, soweit es um die religiöse Dimension des kirchlichen Dienstes geht, die Einstellung von der Kirchenzugehörigkeit abhängig macht . Dies betrifft sämtliche Tätigkeiten, die den Verkündungsauftrag zum Gegenstand haben, den sogenannten „verkündungsnahen Bereich“. Auch bestimmte exponierte Positionen wie z. B. Geschäftsführerfunktionen von kirchlichen Krankenhäusern oder von weltanschaulichen Schulen können darunterfallen. Nicht erfasst werden jedoch Positionen, die keine Berührung mit der Verkündung der Botschaft der christlichen Kirche haben (sogenannter „verkündungsferner Bereich“). Insoweit bestehen keine schützenswerten Interessen der Kirche, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.

Der Beklagte versteht sich auf der Grundlage seiner Präambel als Repräsentant der Evangelischen Kirche und ihrer zentralen christlichen Glaubensinhalte. Sein diakonisches Wirken ist Religionsausübung. Er ist daher grundsätzlich berechtigt, die materiellen Inhalte der beruflichen Anforderung selbst zu bestimmen. Er beruft sich insoweit auf die Richtlinien des Rates der EKD. Dort wird in § 3 Abs. 1 grundsätzlich die Zugehörigkeit zu einer evangelischen Kirche zur Voraussetzung für die berufliche Mitarbeit in der EKD und ihrer DW gemacht. Nach Abs. 2 kann davon jedoch abgewichen werden für Aufgaben, die nicht der Verkündung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung zuzuordnen sind, wenn andere geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu gewinnen sind. In diesem Fall können auch Personen eingestellt werden, die einer anderen Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland oder der Vereinigung evangelischer Freikirchen angehören sollen. Die Einstellungsmöglichkeit von Personen anderer Religionen wird nicht ausdrücklich untersagt. Unstreitig beschäftigt der Beklagte auch vereinzelt Personen, die weder der Evangelischen noch der Katholischen Kirche bzw. einer freikirchlichen oder griechisch-orthodoxen Konfession angehören.

Damit trägt sowohl die Richtlinie als auch die Praxis des Beklagten der Forderung ein Stück weit Rechnung, dass für Tätigkeiten im verkündungsfernen Bereich die Zugehörigkeit zur christlichen Kirche nicht Einstellungsvoraussetzung sein muss.

In Bezug auf die hier streitige Stelle hat der Beklagte nicht plausibel dargelegt, dass diese dem verkündungsnahen Bereich im oben dargelegten Sinne zuzurechnen ist, insbesondere konkrete Ausführungen dazu, dass und inwieweit die Stelle der Verkündung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung zuzuordnen ist, nicht gemacht. Anhaltspunkte, dass es sich um eine herausragende Position handelt, die notwendig die Identifizierung mit den Verkündungsinhalten der christlichen Kirche erfordert, sind nicht ersichtlich und von dem Beklagten im Übrigen auch nicht vorgetragen.

ee) Auch nach Art der Tätigkeit, die eine Sozialpädagogin im Rahmen des Teilprojektes „Integrationslotse H.“ zu verrichten hat, ist die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche nicht eine gerechtfertigte berufliche Anforderung.

Einschlägig sind nur solche Anforderungen, die sich für bestimmte Arten von Tätigkeiten unmittelbar aus einem Zusammenspiel von religiösem oder weltanschaulichem Selbstverständnis und konkreter beruflicher Anforderung ergeben. In richtlinienkonformer Auslegung sind auch diese Voraussetzungen eng zu fassen. Insoweit muss der Nachweis erbracht werden, dass es sich um wesentliche Anforderungen handelt, die unter Beachtung der Ziele der Religionsgemeinschaft für die Ausführung der bestimmten Art der Tätigkeit unumgänglich ist.

Vorliegend macht der Beklagte unter Bezugnahme auf die Stellenausschreibung geltend, zu den Aufgaben der in Frage stehenden Stelle gehörten öffentliche Auftritte gegenüber verschiedenen Behörden, in verschiedenen Gremien, Institutionen und Verbänden sowie gegenüber kommunalen, nationalen und unternationalen Einrichtungen. Damit erhalte die Tätigkeit einen unmittelbaren kirchlich-diakonischen Einschlag. Weder aus der Stellenbeschreibung noch aus dem Vortrag des Beklagten geht jedoch konkret hervor, wie sich diese öffentlichen Auftritte gestalten und dass im Zuge dieser Auftritte eine Vermittlung, Verkündung oder praktische Umsetzung der christlichen Religion stattfinden soll. Sofern die Stellenbeschreibung von Bezug auf die „Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen im Rahmen des Teilprojekts Integrationslotse H.“ nimmt, ergibt sich aus dem Wortlaut vielmehr die Annahme, dass im Zuge der Auftritte Gesprächsinhalt das Teilprojekt und nicht der religiöse Hintergrund des Beklagten ist. Für seine Behauptung, das Anliegen und Ziel des Projektes, die Begleitung der Integration der Migranten in die hiesige Gesellschaft, könne nur von einer Person mit einem Hintergrund, der nicht dem des zu betreuenden Migranten entspreche, geleistet werden, bleibt der Beklagte eine Begründung schuldig. Selbst wenn dies der Fall wäre, ist nicht ersichtlich, warum dazu nur Personen mit einer Kirchenzugehörigkeit in der Lage sein können.

Damit hat der Beklagte die ihm gemäß § 22 AGB obliegende Darlegungs- und Beweislast nicht erfüllt.

Davon abgesehen spricht sowohl die umfassende Fremdfinanzierung des Projektes Integrationslotse als auch die dringende Empfehlung in dem Zuwendungsbescheid, keine den Bewerberkreis einschränkenden Vorgaben zu machen und die Auswahl der Mitarbeiter neutral durchzuführen, entschieden gegen die christliche Prägung der in Frage stehenden Stelle. Wenn tatsächlich die Zuwendungsgeber auf europäischer und nationaler Ebene, wie der Beklagte behauptet, davon ausgehen, dass eine Durchführung der von ihnen finanzierten Projekte seitens eines kirchlich-diakonischen Trägers unter den Vorbehalten des kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes steht, kann die Empfehlung nur als dringender unermüdlicher Appell verstanden werden, darauf bei dem in Frage stehenden Projekt zu verzichten.

b) Die Klägerin ist nicht wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt worden.

§ 1 AGG unterscheidet ausdrücklich zwischen Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft und wegen Religion. „Ethnische Herkunft“ zeichnet sich durch gemeinsame Herkunft, Geschichte, Kultur oder Zusammengehörigkeitsgefühl aus. Eine Subsummierung der Religion unter das Merkmal ethnische Herkunft hätte zur Folge, dass eine Trennung der beiden Merkmale nicht mehr möglich wäre. Nur wenn eine Differenzierung wegen der Religion nur vorgeschoben wird, um eine tatsächlich gewollte Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft zu verschleiern, kann es sich um eine mittelbare Benachteiligung in Form einer versteckten Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft handeln.

Davon ist vorliegend nicht auszugehen. Der Beklagte hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es ihm tatsächlich auf die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche ankam. Bestätigung findet dies darin, dass nach seinem unwidersprochenen Vortrag die ausgeschriebene Stelle eine gebürtige Inderin erhielt.

Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten.

2.) Da der Beklagte die Klägerin nach allem wegen ihrer Religion im Einstellungsverfahren benachteiligt hat, steht der Klägerin ein Entschädigungsanspruch gegen den Beklagten gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu.

Bei der Bemessung der Entschädigung ist nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin von einem monatlichen Verdienst für die ausgeschriebene Stelle in Höhe von EUR 1.300,00 auszugehen. Die Entschädigung ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles je nach Schwere der Beeinträchtigung, Anlass und Beweggrund des Handelns und einer möglichen rechtsfeindlichen Einstellung festzulegen. Ebenso sind Präventionsgesichtspunkte zu beachten.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hält die Kammer eine Entschädigung von EUR 3.900,00 aus folgenden Gründen für angemessen:

Die Klägerin hatte ungeachtet der Tatsache, dass sie nicht über ein abgeschlossenes Studium der Sozialwissenschaft/Sozialpädagogik verfügt und damit das Anforderungsprofil der fraglichen Stelle nicht in vollem Umfang erfüllte, gute Aussichten, ohne Benachteiligung die Stelle zu erhalten. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin hielt die Mitarbeiterin der Beklagten Frau K. die Bewerbung der Klägerin für so interessant, dass sie dieser den Eintritt in die Kirche vorschlug, da dies unbedingte Voraussetzung für die Stelle sei. Ein solches Ansinnen ungeachtet der Vergewisserung, ob die Klägerin sich denn überhaupt mit den Werten und Inhalten der christlichen Kirche identifizierte, ist nur dann nachvollziehbar, wenn ein erhebliches Interesse an der Einstellung der Klägerin bestand.

Die Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Religion wiegt um so schwerer, als sich der Beklagte damit bewusst über die Empfehlung des Zuwendungsgebers für das Projekt Integrationslotse, die Auswahl von Mitarbeitern neutral durchzuführen, hinwegsetzte und damit eine Bereitschaft, sich mit den europäischen Vorgaben im Diskriminierungsschutz auseinanderzusetzen, vermissen lässt.

Die Klägerin hat ihren Entschädigungsanspruch rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Frist des § 15 Abs. 4 AGG nach Zugang der Ablehnung des Beklagten vom 06. Februar 2007 mit Schreiben vom 21. Februar 2007 geltend gemacht.

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