LAG Rheinland-Pfalz: Keine Haftung für Kassenfehlbestand – Anspruch auf Zeugnisberichtigung


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Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – 9 Sa 462/07 hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht uneingeschränkt für den Kassenbestand haftet. Zudem darf sich ein Zeugnis nicht nur an den letzten Ereignissen im Arbeitsverhältnis orientieren.

Aus dem Urteil (bearbeitet und gekürzt):
Sachverhalt:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger 1.800,00 EUR netto nebst 5 % Zinsen seit dem 01. November 2006 zu zahlen und darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein abgeändertes Arbeitszeugnis zu erteilen. (…)

Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse hat das Arbeitsgericht durch das genannte Urteil die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten hieraus seit dem 01. November 2006 zu zahlen. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein neues, abgeändertes Arbeitszeugnis zu erteilen und hierbei das (bereits erteilte) Arbeitszeugnis vom 31. Oktober 2006 dahingehend abzuändern, dass der dritte Absatz formuliert wird wir folgt:

„Herr C. war den hohen Belastungen gewachsen, gut motiviert und zeichnete sich durch Pflichtbewusstsein und Ehrlichkeit aus.“

Und der fünfte Absatz wie folgt neu formuliert wird:

„Alle seine Aufgaben führte er mit großer Umsicht, großem Wissen, hohem Engagement und stets zu unserer vollen Zufriedenheit aus.“ (…)

Entscheidungsgründe:

(…) Ein Anspruch der Beklagten gegen den Kläger auf Schadensersatz in Höhe von 1.800,00 EUR besteht nicht. (…).

Die Beklagte stützt einen derartigen Anspruch darauf, dass der Kläger bis zum Aufbruch der Geldkassette auf diese die alleinige Zugriffsmöglichkeit hatte und sich bei einem Vergleich des Sollbestandes laut Kassenbuch und festgestelltem Kassenbestand eine Differenz in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe ergeben habe.

Nach den vom Arbeitsgericht aufgrund der Vernehmung der von der Beklagten selbst benannten Zeuginnen festgestellten Tatsachen, von denen die Berufungskammer zunächst auszugehen hat (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), fand eine Kassenabrechnung erst am 20. September 2006 und damit 14 Tage nach faktischem Ausscheiden des Klägers und neun Tage nach Aufbruch der Kassette statt. Während dieses Zeitraums fehlte es am alleinigen Zugriff des Klägers. Das Kassenbuch weist über 14 Tage rechnerisch Vorgänge auf, die für den Kläger unbeeinflussbar waren. Schon aus diesem Grunde scheidet eine Annahme dahingehend, dass aufgrund einer festgestellten Differenz die Verantwortung hierfür den Kläger träfe, aus.

Zudem ist nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht davon auszugehen, dass überhaupt eine Kassendifferenz bestand. Zu diesem Ergebnis ist das Arbeitsgericht aufgrund einer rechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung der Aussagen der vernommenen Zeugen gekommen.

Aufgrund welcher konkreter Anhaltspunkte Zweifel an diesen Feststellungen bestehen sollen, zeigt die Beklagte nicht ausreichend auf. Im Gegenteil ist der Sachvortrag der Beklagten zur Höhe einer festgestellten Differenz höchst widersprüchlich, ohne dass die Beklagte diese Widersprüche ausreichend hätte aufklären können. So hat die Beklagte erstinstanzlich (Schriftsatz vom 13. März 2007, Seite 2) dargelegt, dass sich ein Kassenbestand bei Öffnung der Kassette von 2.115,04 EUR ergeben habe. Dies hat die von der Beklagten benannte Zeugin T. anlässlich ihrer erstinstanzlichen Vernehmung bestätigt. Nunmehr behauptet die Beklagte ohne nähere Erläuterung, es sei ein Kassenbestand von 6.087,94 EUR festgestellt worden.

Hinzu kommt, dass erhebliche Zweifel auch hinsichtlich der Aussagekraft des Kassenbuchs bestehen:

In der von der Beklagten vorgelegten Kopie des Kassenbuches ab 15. April 2006 bis zum 09. Oktober 2006 finden sich immer wieder Einträge, die Differenzen in beide Richtungen ergeben, so zum Beispiel Eintrag am 06. Mai 2006 („Es fehlen 315,-„), Eintrag nach dem 12. Mai 2006 („zuviel 155,-„), Eintrag nach dem 24. Mai 2006 („Beleg fehlt 300,-„).

Vermag deshalb die Berufungskammer ebenso wenig wie das Arbeitsgericht von einem vom Kläger verursachten Schaden auszugehen, hat das Arbeitsgericht die Beklagte zu Recht auch zur Erteilung des abgeänderten Zeugnisses verurteilt. Die Beklagte stützt ihre negativen Wertungen im Wesentlichen auf den von ihr behaupteten unlauteren Zugriff des Klägers auf ihre Finanzmittel. Hiervon ist aber
– wie ausgeführt – nicht auszugehen. Da sie dem Sachvortrag des Klägers hinsichtlich seiner sonstigen Leistungen im Übrigen nicht entgegen getreten ist, bleibt ihre Berufung auch hinsichtlich der ausgeurteilten Zeugniskorrektur ohne Erfolg. (…)

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