LAG SH: Strenge Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers bei Überstundenvergütung


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Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – 6 Sa 492/06 – hat enstscheiden, dass wenn ein Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb Überstundenvergütung geltend macht hohe Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zu stellen sind.

Tipp:
Aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts lassen sich folgende Hinweise ableiten:
Wenn Sie Überstunden geltend machen wollen führen Sie genauestens Buch über alle geleisteten Stunden und lassen Sie diese vom Vorgesetzen abzeichnen. Die Aufzeichnungen sollten täglich über den gesamten Zeitraum erfolgen und auch eine genaue Beschreibung der geleisteten Arbeit enthalten.

Aus dem Urteil (bearbeitet und gekürzt):

Sachverhalt:
Die Parteien streiten um Überstundenvergütung. Der Kläger hat behauptet, er habe im Zeitraum Juni 2004 bis Januar 2006 insgesamt 691,60 Überstunden geleistet. Wegen des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit sowie der Mittagspause hat er auf die Arbeitszeiterfassungsblätter für die Zeit von Januar 2005 bis März 2006 verwiesen. Die von ihm an den einzelnen Tagen geleisteten Stunden hat er in der Anlage K 2 verschiedenen Projekten zugeordnet. Diese Aufstellung erfasst den Zeitraum Juni 2004 bis Januar 2006. In ihr finden sich nicht durchgängig Projektangaben. Als Anlage K 3 (Bl. 34 d. A.) hat der Kläger eine Aufstellung überreicht, in der er die monatlichen Sollstunden den von ihm behaupteten geleisteten Stunden gegenübergestellt hat.
Der Kläger hat behauptet, im Jahr 2004 habe er seine Tätigkeit jeweils spätestens um 08.30 Uhr aufgenommen. Die behaupteten Stunden habe er tatsächlich geleistet (Zeugnis B… und G…). Überstunden seien im Betrieb der Beklagten üblich gewesen. Entsprechende Anforderungen seien an den einzelnen Mitarbeiter gestellt worden. Die von der Geschäftsleitung geforderte Leistung habe nicht in der regulären Arbeitszeit erbracht werden können. Es sei zum Ausdruck gebracht worden, dass die übertragene Arbeit zügig erledigt werden müsse. Insbesondere der Zeuge B… habe das immer wieder gefordert. Bei ihm habe der Kläger monatliche Stundennachweise abgegeben, wenn auch – insoweit unstreitig – nicht stets unmittelbar nach Ablauf des jeweiligen Monats.

En t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Überstundenvergütungsansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Er kann weder Vergütung der behaupteten 691,60 Stunden verlangen, noch die begehrten Zuschläge.
1. Der Arbeitnehmer, der die Vergütung von Überstunden fordert, muss im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Er muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Fehlt eine feste Arbeitszeit, etwa bei Gleitzeit, ist im Einzelnen für jeden Arbeitstag nach Datum und Stunde aufzuschlüsseln, wie die Arbeitszeit gestaltet worden ist. Dem Arbeitgeber obliegt es, dem Vortrag substantiiert entgegenzutreten. Ist danach streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, hat der Arbeitnehmer darzulegen, welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt hat. Je nach der Einlassung des Arbeitgebers besteht also eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Erst anhand des konkreten Sachvortrags des Arbeitgebers kann das Gericht feststellen, welche Tatsachen streitig sind. Ist das Bestreiten des Arbeitgebers hinreichend substantiiert, ist es schließlich Sache des Arbeitnehmers, im Einzelnen Beweis für die geleisteten Stunden anzutreten. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt ferner voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig war. Auch dazu muss der Arbeitnehmer vortragen.
2. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers trotz der im Berufungsrechtszug erteilten Hinweise und mehrfacher Ergänzungen seines Vorbringens nicht.
a) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts reicht der Vortrag des Klägers zur Überstundenleistung jedoch aus. Er hat dargelegt, wie viele Stunden er an welchem Arbeitstag gearbeitet hat. Der Kläger hat für den streitbefangenen Zeitraum monatsbezogene Zeitnachweise vorgelegt, aus denen sich die Summe der täglich geleisteten Stunden und ihre Zuordnung zu einzelnen Projekten ergibt. Darüber hinaus hat er für die Zeit ab Januar 2005 Arbeitszeiterfassungsblätter vorgelegt, aus denen sich Arbeitszeitbeginn und -ende sowie die Dauer der Mittagspause entnehmen lassen. Soweit die geleisteten Stunden gemäß Anlagenkonvolut K 2 den Stunden entsprechen, die sich für den einzelnen Arbeitstag aus der Anlage K 6 entnehmen lassen, reicht sein Vortrag aus.
b) Der Umfang der tatsächlichen Überstundenleistung musste jedoch nicht aufgeklärt werden, weil der Kläger nicht substantiiert dargelegt hat, dass die Überstunden von der Beklagten angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.
aa) Die Beklagte hat die streitgegenständlichen Überstunden nicht angeordnet. Zu einer ausdrücklichen Anordnung der einzelnen Überstunden hat der Kläger nichts vorgetragen. Der vom Kläger gezogene Schluss auf eine konkludente Überstundenanordnung überzeugt jedoch nicht. Selbst wenn als richtig unterstellt wird, dass der Abteilungsleiter diese Arbeit zugewiesen hat, beinhaltet das noch nicht die Weisung, erforderlichenfalls über die reguläre Arbeitszeit hinaus zu gehen. Denn grundsätzlich will der Arbeitgeber, dass die von ihm zugewiesene Arbeit innerhalb der regulären Arbeitszeit erledigt wird. Darauf deutet auch hin, dass der Abteilungsleiter eine zügige Aufgabenerledigung erwartet hat.
bb) Die Beklagte hat die behaupteten Überstunden auch nicht gebilligt. Die Abzeichnung durch den Vorgesetzten, wie in Ziff. 4.2 S. 2 der Geschäftsverordnung vorgesehen, fehlt gerade.
cc) Die Beklagte hat auch keine notwendigen Überstunden geduldet. Eine anspruchsbegründende Duldung der Mehrarbeit ist gegeben, wenn Mehr- bzw. Überstunden tatsächlich geleistet wurden, sie nach dem festgestellten Sachverhalt sachdienlich waren und der Arbeitgeber von ihrer Leistung Kenntnis hatte und sie zugelassen hat. Die bloße spätere Kenntnis des Arbeitgebers von Überstunden reicht nicht aus.
Im vorliegenden Fall beruft sich der Kläger auf eine solche Duldung der Mehrarbeit, denn er macht geltend, die Überstunden seien nach den Arbeitsanforderungen sachdienlich gewesen und von ihm tatsächlich erbracht worden. Im übrigen seien sie arbeitgeberseitig zur Kenntnis genommen worden. Die Beklagte hat die Erforderlichkeit der Überstundenleistung bestritten. Sie hat behauptet, die Arbeiten hätten in der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit erledigt werden können. Aufgrund dieses Bestreitens wäre es nunmehr Sache des Klägers gewesen, über die pauschal behauptete Sachdienlichkeit hinaus für die einzelnen tatsächlich angefallenen Überstunden Umstände vorzutragen, aus denen auf ihre Notwendigkeit geschlossen werden kann. Nur auf Grundlage eines solchen konkreten Vortrags hätte die Beklagte zu etwaigen anderen Gründen für die Überstundenleistung vortragen können. Der Hinweis auf die Befassung mit bestimmten Projekten reicht nicht aus, denn aus ihr allein folgt nicht zwangsläufig, dass die anfallende Arbeit nur unter Überschreitung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit erledigt werden konnte. Das gleiche gilt für die Angaben in denen als Anlagenkonvolut K 9 und 10 vorgelegten Unterlagen. Im Anlagenkonvolut K 9 sind zwar stichwortartig Tätigkeiten genannt (Baubegehung und Besprechungen, Mängelbegehungen und verfolgung, Aufmaßprüfung usw.) und Begründungen (Termindruck, Baubegehung mit Architekt und Firmen, Absprachen vor Ort, Anwesenheit erforderlich und gefordert, Termine außerhalb der normalen Arbeitszeit vereinbart usw.) aufgeführt. Diese Angaben lassen sich aber nicht konkreten Stunden zuordnen. Der Kläger versucht jeweils alle innerhalb einer Woche geleisteten Überstunden mit den schlagwortartigen Behauptungen zu begründen. Das reicht nicht aus, denn der Beklagten ist auf der Grundlage eines solchen Sachvortrags eine Auseinandersetzung mit der Frage der Sachdienlichkeit und Duldung der einzelnen Überstunden nicht möglich. Eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der benannten Zeugen kam schon deshalb nicht in Betracht, weil ein solches prozessuales Vorgehen auf eine unzulässige Ausforschung hinaus gelaufen wäre. Die Zeugen hätten zu den einzelnen Tagen, den geleisteten Stunden, der angefallenen Arbeit und der Notwendigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitszeit zu überschreiten, befragt werden müssen. Der Kläger hat somit die erforderlichen Tatsachen, die einer Beweisaufnahme zugänglich gewesen wären, nicht vorgetragen. Im übrigen hat er nur für 25 Kalenderwochen Tätigkeiten angegeben, ohne mitzuteilen, um welches Jahr es sich handelt. Erst im Berufungstermin hat er angegeben, dass es sich um die ersten 25 Kalenderwochen des Jahre 2005 gehandelt hat. Die als Anlagenkonvolut K 10 vorgelegten Kopien der Kalenderblätter für die Zeit von Januar 2005 bis Mitte März 2006 können den erforderlichen Vortrag gleichfalls nicht ersetzen. Hier finden sich lediglich Stichworte, die auf vereinbarte Termine hindeuten. Ihnen kann aber selbst unter Hinzuziehung der weiteren Anlagen nicht entnommen werden, warum im Einzelnen in welchem Umfang Überschreitungen der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit notwendig waren.

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