LAG Thüringen: Kündigung wegen Krankheit als Sanktion rechtsunwirksam


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Das Landesarbeitsgericht Thüringen hat Entschieden – 5 Ta 55/07, dass eine Kündigung gegen Treu und Glauben verstößt, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung lediglich zu dem Zweck ausspricht, den Arbeitnehmer wegen des Eintritts einer Erkrankung zu sanktionieren. Auch wenn die sechsmonatige Frist des KSchG (Probezeit) noch nicht abgelaufen ist kann ein Arbeitnehmer nach „Treu und Glauben“ vor einer Kündigung geschützt sein.

Tipp:
Wenn Sie von einer krankheitsbedingten Kündigung betroffen sind sollten Sie von einem im Arbeitsrecht kundigen Rechtsanwalt prüfen lassen ob sich eine Kündigungsschutzklage lohnt.

Aus dem Urteil (bearbeitet und gekürzt):

Leitsatz:

Eine Kündigung, mit der der Arbeitgeber den Eintritt einer Erkrankung eines Arbeitnehmers als solcher mit einer Kündigung maßregeln will, ist eine gegen Treu- und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung. (…)

G r ü n d e :

Der Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 07.09.2006 mit Wirkung vom 11.09.2006 bei der Firma J. GmbH (Beklagte), gegen die sich seine beabsichtigte Klage richtet, beschäftigt. Mit Schreiben vom 17.11.2006, welches dem Kläger am 30.11.2006 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 24.11.2006, ohne darin die Kündigung zu begründen. Das Kündigungsschreiben war „i.A.“ von Herrn M. F. unterzeichnet. Herr F. ist auf dem Briefkopf der Beklagten nicht als Geschäftsführer ausgewiesen. Der Kündigung der Beklagten lag ein Verkehrsunfall zugrunde, den der Kläger am 16.11.2006 auf dem Heimweg von der Arbeit erlitt und infolgedessen er für einen Tag ins Krankenhaus eingeliefert und anschließend bis 23.12.2006 arbeitsunfähig geschrieben wurde. Der Kläger hat in seiner Klageschrift vorgetragen, dass seine Schwester am 17.11.2006 bei der Beklagten angerufen habe, um den Kläger zunächst bis zum 30.11.2006 krank zu melden. Dabei sei sie an den „Chef“ verwiesen worden, der gerade ortsabwesend gewesen sei. Sie habe daraufhin ihre Telefonnummer hinterlassen und um Rückruf gebeten. Nachdem dies jedoch bis zum Folgetag nicht geschehen sei, habe sie selbst zurückgerufen und sich mit dem „Chef“ M. F. verbinden lassen. Dieser habe bei dem Telefongespräch sinngemäß geäußert:

„Sie solle nicht seine wertvolle Zeit verschwenden, er könne nur Mitarbeiter brauchen, die am Arbeitsplatz ihre Arbeit tun,….wer krank mache, aus welchem Grund auch immer, könne in dieser Firma nur noch mit der Kündigung rechnen…außerdem sei der Kläger ohnehin nur in der Probezeit…“ (…)

Im Falle ihrer Herausnahme aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz sind Arbeitnehmer nicht völlig schutzlos gestellt. Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten. Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition ist damit in jedem Fall gewährleistet. Wie weit dieser Schutz im Einzelnen reicht, ist von den Arbeitsgerichten zu entscheiden. In sachlicher Hinsicht geht es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Insofern können außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes ausgesprochene Kündigungen insbesondere wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) oder wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtsunwirksam sein.

(..) Im Streitfall handelt es sich nach dem Vorbringen des Klägers nicht um einen Kündigungsgrund, der typischerweise im Rahmen des § 1 KSchG zu würdigen gewesen ist. Typischer Prüfungsgegenstand von § 1 KSchG ist zwar auch die Frage der Berechtigung einer krankheitsbedingten Kündigung. Hierbei geht es allerdings um die Frage, ob eine bestimmte Erkrankung nach ihrer Art, ihrer Dauer und ihren betrieblichen Auswirkungen insgesamt eine negative Zukunftsprognose für eine unzumutbare Störung des Arbeitsvertragsverhältnisses rechtfertigt. Demgegenüber hat die Beklagte nach dem Vortrag des Klägers mit den oben zitierten Äußerungen des Herrn F. zum Ausdruck gebracht, dass sie jedem ihrer Beschäftigten unabhängig von den Einzelfallumständen und betrieblichen Auswirkungen einer Arbeitsunfähigkeit den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses verwehren will und dass dieses Motiv leitend für ihre am 17.11.2007 datierte Kündigung gewesen ist. Damit gibt die Beklagte zu erkennen, dass sie im Falle von erkrankungsbedingter Hinderung der Erbringung von Arbeitsleistungen grundsätzlich kündigen und sich dabei nicht an § 1 KSchG halten will. Schon deshalb könnte sie für sich nicht in Anspruch nehmen, dass der Streitfall einen typischerweise im Rahmen des § 1 KSchG (Fallgruppe krankheitsbedingte Kündigung) zu würdigenden Sachverhalt betrifft.

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