LAG Berlin – Kündigungsfrist § 113 InsO


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Das Landesarbeitsgericht Berlin hat entschieden – Urteil vom 11.7.2007 – 23 Sa 450/07, dass die dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 InsO auch für Arbeitsverhältnisse, die der Insolvenzverwalter mit Wirkung für die Masse neu begründet hat gilt.

Die dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 InsO gilt auch für Arbeitsverhältnisse, die der Insolvenzverwalter mit Wirkung für die Masse neu begründet hat.

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Tatbestand:
Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren nur noch um die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist.
Der Kläger war seit dem 1.8.1994 bei O. beschäftigt. Über dessen Vermögen ist am 2.5.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Auf die von ihm am 29.8.2005 zum 30.11.2005 ausgesprochene und unter Vorbehalt angenommene Änderungskündigung hin einigten sich die Parteien vor dem ArbG Neuruppin durch Vergleich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.8.2005, die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 2.000 € sowie die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ab dem 1.9.2005 zu den Bedingungen des der Änderungskündigung beigefügten Arbeitsvertrages. In ihm ist unter § 3 Abs. 2 festgehalten, dass für eine Kündigung die gesetzlichen Kündigungsfristen gem. § 622 BGB gelten. Unter § 19 ist zudem der Beginn der Betriebszugehörigkeit ab dem 1.8.1994 vereinbart. Der Beklagte, der in dem Betrieb des Schuldners keine fünf Arbeitnehmer beschäftigt, sprach gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 20.9.2006 aus betriebsbedingten Gründen eine Beendigungskündigung zum 31.12.2006 aus.
Mit der Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung und die Einhaltung der zum 28.2.2007 ablaufenden ordentlichen Kündigungsfrist geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.1.2007 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung erst zum 28.2.2007 aufgelöst worden ist, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass die der Kündigung zugrunde gelegte Frist des § 113 InsO der in dem Arbeitsvertrag vereinbarten längeren gesetzlichen Frist vorgeht.

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Kündigung des Beklagten vom 20.9.2006 hat das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.12.2006 beendet. Die Kündigungsfrist ist gem. § 113 Satz 2 InsO zutreffend mit drei Monaten zum Monatsende berechnet und eingehalten worden. Die Beklagte konnte die Kündigung mit der Frist des § 113 InsO aussprechen.
1. Nach § 113 InsO beträgt die Frist für die Kündigung eines Dienstverhältnisses mit dem Schuldner durch den Insolvenzverwalter drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgebend ist. Dienstverhältnis im Sinne der Vorschrift ist auch ein Arbeitsverhältnis. Längere gesetzliche, tarifvertragliche und einzelvertragliche Kündigungsfristen werden durch § 113 InsO verdrängt. Die sich für den Kläger aus § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB i.V.m. § 3 Abs. 2, § 19 seines Arbeitsvertrages ergebende längere Kündigungsfrist kommt daher nicht zur Anwendung.
1.1 Allerdings ist es umstritten, ob § 113 InsO auch auf Dienstverhältnisse Anwendung findet, die der Insolvenzverwalter mit Wirkung für die Masse neu begründet. Der die Anwendung bejahenden Auffassung (vgl. KR-Weigand, 8. Aufl., § 113 InsO Rz. 19) wird entgegengehalten, dass die Anwendung vom Sinn der Vorschrift nicht geboten sei, die unter den veränderten Bedingungen der Insolvenz einen raschen Personalabbau ermöglichen und frühere Entscheidungen oder Entwicklungen korrigieren will, die zu sehr langen Kündigungsfristen oder zu einer vereinbarten Unkündbarkeit geführt haben. Bei der Einstellung neuer Arbeitskräfte sei die SiSituationtuation grundsätzlich anders, da der Insolvenzverwalter seine Aufgaben und damit den zu erwartenden Arbeitsanfall überschauen kann (vgl. KDZ-Däubler, KSchR, 5. Aufl., § 113 InsO Rz. 13).
1.2 Eine derartige Einschränkung wird vom Wortlaut des § 113 InsO nicht gedeckt. Er stellt nicht darauf ab, wann das Dienstverhältnis begründet worden ist. Maßgeblich ist allein, dass ein Dienstverhältnis besteht, bei dem der Schuldner Dienstberechtigter ist. Das ist auch dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter aufgrund der ihm gem. § 80 InsO übertragenen Rechtsposition Arbeitnehmer einstellt.
1.3 Nichts anderes ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 113 InsO. Er besteht darin, die Belastung der Insolvenzmasse z. B.grenzen. Regelungsziel ist ein Ausgleich zwischen den Belangen der Beschäftigten und der übrigen Insolvenzgläubiger. Das Entstehen von Masseschulden soll begrenzt werden, die darauf beruhen, dass der Insolvenzverwalter keinen Beschäftigungsbedarf mehr hat und Vergütungsansprüche ohne Gegenleistung entstehen. Andererseits haben auch die Dienstverpflichteten im Insolvenzfall wegen der Gefährdung ihrer Stellung und ihrer Vergütungsansprüche ein Interesse daran, ohne Einhaltung langer Kündigungsfristen aus dem Dienstverhältnis auszuscheiden, um eine neue Tätigkeit aufnehmen zu können (vgl. Kübler/Prütting, InsO, § 113 Rz. 6; APS-Dörner, 2. Aufl., § 113 Rz. 6). Dieser Regelungszweck kommt nicht nur bei den zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehenden, sondern auch bei den von dem Insolvenzverwalter begründeten Dienstverhältnissen zum Tragen. Zwar dürften im letzten Fall kürzere Kündigungsfristen als die des § 113 InsO der Regelfall sein. Das Vorhandensein längerer Kündigungsfristen ist aber nicht ausgeschlossen. Demgegenüber berücksichtigt die Gegenansicht, der Insolvenzverwalter könne bei der Einstellung neuer Arbeitskräfte seine Aufgaben und den zu erwartenden Arbeitsanfall überschauen, nicht die Interessen der neu eingestellten Arbeitnehmer, die diesen Überblick nicht haben. Zudem ist z. B.rücksichtigen, dass eine von dem Insolvenzverwalter betriebene Sanierung des Unternehmens sich über Jahre sowie unter einem wechselhaften und keineswegs von vornherein mit Sicherheit vorhersehbaren Arbeitskräftebedarf hinziehen kann. Der Regelungszweck des § 113 InsO kann daher auch bei Neueinstellungen zur Geltung kommen.
1.4 Angesichts des Wortlauts und des Zwecks der Regelung kann ihr Zusammenhang mit § 108 InsO zu keinem anderen Ergebnis führen. § 108 InsO bestimmt die Wirkung der Insolvenzeröffnung auf bestehende Rechtsverhältnisse. Mit der Anordnung ihres Fortbestehens sollen sie der Anwendbarkeit des § 103 InsO entzogen werden, der dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht hinsichtlich der Erfüllung bestehender Verträge einräumt. Der Zusammenhang des § 113 InsO mit § 108 InsO kann jedoch nicht ausschließen, dass von der Kündigungsregelung nicht nur die bei Eröffnung bestehenden, sondern auch die danach begründeten Dienstverhältnisse erfasst werden.
1.5 Letztlich kann diese Frage jedoch unentschieden bleiben, weil im vorliegenden Fall das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht durch den Insolvenzverwalter neu begründet worden ist.
2. Es liegt keine Neueinstellung durch den Insolvenzverwalter vor. Der Kläger hatte die von dem Insolvenzverwalter am 29.8.2005 zum 30.11.2005 ausgesprochene Änderungskündigung am 6.9.2005 unter dem Vorbehalt nach § 2 KSchG angenommen. Der auf seine Kündigungsschutzklage hin am 7.10.2005 geschlossene Vergleich sieht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.8.2005 und die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ab dem 1.9.2005 zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vor, den der Kläger am 6.9.2005 unter Vorbehalt angenommen hat. Damit ist er bis zur Kündigung vom 20.9.2006 ununterbrochen weiterbeschäftigt worden. Gegenüber der Änderungskündigung ist lediglich die Änderung der Arbeitsbedingungen um drei Monate vorgezogen und dafür dem Kläger eine Abfindung gezahlt worden. Zwar ist ausdrücklich die Beendigung des bisherigen und die Begründung des mit der Änderungskündigung vorgelegten Arbeitsvertrages vereinbart worden. Die Vereinbarung zielte aber nicht auf ein Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb oder auf die endgültige Beendigung des Rechtsverhältnisses und einen völligen Neuanfang ab. Vielmehr sollte der Kläger weiterhin als Vermessungsingenieur beschäftigt werden. Die bisherige Betriebszugehörigkeit blieb ihm voll erhalten. Der Vergleich hat lediglich hinsichtlich. des Änderungszeitpunktes das Ergebnis modifiziert, das aufgrund der unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung und der Kündigungsschutzklage vorgegeben war, nämlich Weiterbeschäftigung zu den bisherigen oder den geänderten Arbeitsbedingungen. Darin liegt keine Neubegründung des Arbeitsverhältnisses.
3. Der Insolvenzverwalter hat sein Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Frist des § 113 InsO nicht durch die Regelung der Kündigungsfristen in § 3 Abs. 2 und die Anrechnung der Betriebszugehörigkeit in § 19 des Arbeitsvertrages verloren. § 113 InsO ist unabdingbar. Das in ihm geregelte Kündigungsrecht kann gem. § 119 InsO nicht durch Vereinbarungen im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden.
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