Bildungskredit ist kein anrechenbares Einkommen im SGB II


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Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg – L 14 AS 1171/07 – hat entschieden, dass ein Bildungskredit als Darlehn kein Einkommen für Empfänger von Arbeitslosengeld II darstellt.

Aus dem Urteil (bearbeitet und gekürzt):

Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Der 1979 geborene Kläger bestand am 9. Mai 2005 im Freiversuch die erste juristische Staatsprüfung mit der Note „befriedigend“ (Punktwert: 8,35).

Mit Bescheid vom 24. Mai 2005 bewilligte das Bundesverwaltungsamt dem Kläger für den Zeitraum vom 1. März 2005 bis zum 28. Februar 2006 die Inanspruchnahme eines verzinslichen Bildungskredits der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) i.H.v. monatlich 300,- Euro nebst einer Einmalzahlung zum 1. März 2005 in Höhe von 1.800,- Euro. Einen entsprechenden Kreditvertrag mit der KfW schloss der Kläger im Juni 2005 ab. Die KfW überwies danach dem Kläger Anfang Juni 2005 einmalig 3.000,- Euro und ab Ende Juni 2005 laufend 300,- Euro monatlich.

Am 9. Juni 2005 bescheinigte das Studentenwerk Berlin dem Kläger, dass ihm Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) dem Grunde nach nicht zustünden, da die Voraussetzungen für eine weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG nicht vorlägen („erstes Staatsexamen bereits abgeschlossen“). (…)

Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) und auch im Übrigen zulässige (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung des Klägers ist begründet. (…)

Der Kläger erzielte auch kein zu berücksichtigendes Einkommen. Unterhalt leistete seine Mutter (der auch kein Kindergeld mehr gewährt wurde) ab Juli 2005 nicht mehr. Seine frühere Beschäftigung hatte er im Mai 2005 aufgegeben; das Arbeitsentgelt für Mai 2005 wurde ihm am 10. Juni 2005 überwiesen. Als Einkommen könnten danach allein die monatlichen Ratenzahlungen aus dem vom Kläger in Anspruch genommenen Bildungskredit zu berücksichtigen sein.

Es ist indes bereits zweifelhaft, ob der in monatlichen Raten von 300,- Euro ausgezahlte Bildungskredit überhaupt „Einkommen“ i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II ist. Das Bundessozialgericht hat – im Anschluss an das Bundesverwaltungsgericht – zur Arbeitslosenhilfe entschieden, dass als Darlehen gewährtes Unterhaltsgeld kein die Bedürftigkeit ausschließendes oder verringerndes Einkommen sei. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sei, stelle nur eine vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung dar, die ungeachtet des Umstandes, dass sie in Form von tatsächlichen Zahlungen in die Hand des Darlehensnehmers gelange, nicht Mittel des eigenen Vermögens würden, weil sie von vornherein mit der Pflicht zur Rückgewähr belastet seien. Solche Zahlungen seien „einkommensneutral„. Es kann offen bleiben, ob dem für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu folgen ist. Freilich erscheint eine Fortführung oder -entwicklung dieser Rechtsprechung im Hinblick darauf, dass durch die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht (mehr – wie durch die Arbeitslosenhilfe –) ein bestimmter Lebensstandard erhalten, sondern nur das (sozio-kulturelle) Existenzminimum gesichert werden soll („Grundsicherung“), jedenfalls für darlehensweise gewährte Leistungen, die – wie der dem Kläger zur Verfügung gestellte Bildungskredit – in der Erwartung erbracht werden, dass der Empfänger dadurch in die Lage versetzt wird, eine (höhere) berufliche Qualifikation zu erwerben und danach eine entsprechende Beschäftigung oder Tätigkeit aufzunehmen, und die erst nach geraumer Zeit zurückzuzahlen sind, nicht schlechthin ausgeschlossen.

Selbst wenn die Raten des Bildungskredits als Einkommen anzusehen wären, wären sie nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Denn sie sind jedenfalls „zweckbestimmte Einnahmen„, die „einem anderen Zweck als die Leistungen nach (dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs) dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen (nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs) nicht gerechtfertigt wären“. Der Bildungskredit dient nach § 1 der maßgeblichen Förderbestimmungen (www.bva.bund.de) bei nicht nach dem Bundesausbildungsgesetz geförderten Auszubildenden „der Sicherung und Beschleunigung der Ausbildung„, wogegen die Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs der Sicherung des Lebensunterhalts dienen (§ 19 SGB II). Der Bildungskredit unterscheidet sich insoweit von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, die der Ausbildung und gleichzeitig – ebenso wie die Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs – der Sicherung des Lebensunterhalts und damit – jedenfalls teilweise – demselben Zweck dienen (§§ 1 und 11 Abs. 1 BAföG). Folgerichtig kann ein Bildungskredit auch neben Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und unabhängig von Bedürftigkeit in Anspruch genommen werden (vgl. zur Berücksichtigung von Bildungskrediten als Einkommen bei der Gewährung von Jugendhilfe nach § 90 Abs. 3 des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs Niedersächs. OVG, Beschluss vom 31. Mai 2007 – 4 LC 85/07 –).

Die monatlichen Raten in Höhe von 300,-Euro beeinflussen die Lage des Klägers auch nicht so günstig, dass daneben Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs nicht gerechtfertigt wären. Der Bildungskredit wurde dem Kläger gerade gewährt, um den ausbildungsbedingten Bedarf, für den die Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs nicht bestimmt sind, decken zu können. Dieser Zweck könnte nicht erreicht werden, wenn der Kredit als Einkommen berücksichtigt würde und der hilfebedürftige Kläger ihn zur Sicherung des Lebensunterhalts (insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben) verwenden müsste. (…)

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3 Gedanken zu “Bildungskredit ist kein anrechenbares Einkommen im SGB II”

  1. Hallo,
    hab mit diesem Urteil die Bezeichnung meines Bafoeg Darlehens als Einkommen zu bestreiten versucht. Die Antwort lautete , daß das Gesetzt nicht angepasst ist und der Urteil nicht bindend ist. Folglich scheint mir der Sinn aller Urteile und vielfältige Ratschläge zu entkommen. Was kann man denn da noch machen? wenn überhaupt
    vielen Dank
    Melissa

  2. Hallo, ich habe ein (fast) ähnliches Problem.
    Ich promoviere an der Uni Erfurt (die hauptsächliche Dauer der Promotion findet im Ausland statt, ich bin auch nicht an der Uni eingeschrieben, sondern nur zur Promotion zugelassen) habe einen Bildungskredit bei meiner Privatbank (EKK).
    Nun ergab sich folgendes Problem:
    Bei meinem letzten Aufenthalt in Deutschland habe ich Hartz 4 beantragt, der Antrag wurde aber abgelehnt, ein Widerspruch läuft zur Zeit noch.
    Gibt es zum aktuellen Zeitpunkt ähnliche Fälle oder weitere Möglichkeiten Hartz 4 dennoch zu beziehen?
    Vielen dank im Voraus für weitere Kommentare und Hilfe.
    Matthias

  3. Hallo,
    ich habe einen Antrag auf Hartz 4 gestellt. Mir wurde heute gesagt, dass dieser abgelehnt wird, weil ich Anfang des Monats Oktober mein Studentenkredit für September erhalten habe, laut Jobcenter wird dieser nach dem „Zuflussprinzip“ berechnet und als Einkommen gesehen. Ich bin zum 30.09 exmatrikuliert. Kann mir jemand weiterhelfen? Danke

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