Darlehn wegen Stromschulden vom Jobcenter bei Stromsperre – eigentlich immer


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Das Sozialgericht Berlin hat am 29.12.2015 – S 37 AS 26006/15 ER – entschieden, dass wenn die Selbsthilfemöglichkeiten des Betroffenen ausgeschöpft sind, der SGB 2-Träger bei vollzogener Energiesperre die Gewährung eines Darlehens zur Wiederherstellung der Versorgung nur in atypischen Fällen (z. B. wiederholte mutwillige Verschuldung) ablehnen kann.

Der Leistungsberechtigte könne auch nur dann auf einen Eilantrag beim Zivilgericht verwiesen werden, wenn Anhaltspunkte für eine verfahrensfehlerhafte Energiesperre ersichtlich sind.

Auch ein Verweis auf einen Wechsel des Energieversorgers sei nicht statthaft, da § 14 Abs. 4 StromnetzzugangsVO keinen Anspruch auf Wiederherstellung der Versorgung gibt.

Zudem hat das Sozialgericht gleich noch mit entschieden, dass das im Eilverfahren gewährte Darlehn erst dann zurück zu zahlen ist wenn die anderen vorher bewilligten Darlehn zurück gezahlt worden sind.
Das Berliner Sozialgericht hat damit noch einmal alle Voraussetzungen eines Darlehns nach § 22 Abs. 8 SGB II abgeprüft.

Es hat auch den häufigsten „Ausreden“ der Jobcenter gegen die Vergabe von Energiedarlehn eine Absage erteilt. Insgesamt eine Entscheidung die zu begrüßen ist.

Wenn Sie – gerade in der kalten Jahreszeit – ein solches Darlehn verweigert bekommen, sprechen Sie mich gerne an.

Das Sozialgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet (bearbeitet und gekürzt):

Wegen der einer Wohnungslosigkeit vergleichbaren Notlage bei Energierückständen für Haushaltsstrom, der als Teil des Regelbedarfs eigentlich nicht den Unterkunftskosten zuzuordnen ist, können auch Energieschulden im Rahmen des § 22 Abs. 8 SGB II übernommen werden. Die Sperrung der Energieversorgung ist eine Notlage, die die Bewohnbarkeit der Wohnung beeinträchtigt und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II gebietet.

Sind Selbsthilfemöglichkeiten des Betroffenen ausgeschöpft, kann der SGB II-Träger die Gewährung eines Darlehens zum Ausgleich der bestehenden Schulden beim Energieversorger nur in atypischen Fällen (z. B. wiederholte mutwillige Verschuldung) ablehnen. (…)

Ein Verweis auf Zivilrechtsschutz (einstweilige Anordnung auf Wiederherstellung der Energieversorgung) ist angesichts der akuten Notlage nur zumutbar, wenn Anhaltspunkt dafür vorliegen, dass der Grund-Energieversorger, wie hier die XXXXXl, die Grundsätze des § 19 StromGVV, die Schutzwirkung für den Energieabnehmer haben (dazu OLG Köln vom 7.5.2015 – 7 U 127/14), missachtet hat. Nach Lage der Akten und dem Vortrag des Betreuers ist das nicht ersichtlich: Die Rückstände liegen deutlich über 100 €, die Sperre wurde schon im September 2015 angedroht und nach telefonischer Mitteilung des Betreuers auch vorher angekündigt.
Auf die Geltendmachung einer nach Rechtsprechung der Zivilgerichte sehr unterschiedlich beurteilten Härte oder Unverhältnismäßigkeit einer Stromsperre kann der Ast. nicht verwiesen werden. Es entspricht herrschender Auffassung bei den Zivilgerichten, dass nur in außergewöhnlichen Härtefällen (konkrete Gefahr für die Gesundheit etc.) eine zivilrechtliche Abwehr der Stromsperre einer Hilfe durch den Sozialleistungsträger vorgeht. (…)

Schließlich steht einer Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB auch nicht der Einwand entgegen, dass diese wegen der hohen Abschläge, die der Ast. nach eigenem Vorbringen nicht leisten könne, objektiv ungeeignet ist, um die Energieversorgung dauerhaft zu sichern. Denn sollte sich der jetzige Versorger nicht auf eine Reduzierung der laufenden Abschläge einlassen, kann der Ast. den Anbieter wechseln und einen auf bloßen Haushaltsstromverbrauch zugeschnittenen Tarif aushandeln.

Damit dies dem Ast. möglich ist, darf er allerdings nicht über Gebühr mit Tilgungen der gewährten Darlehen belastet werden. Dies wird dadurch vermieden, dass das zuerkannte Darlehen erst nach Tilgung der bereits gewährten Darlehen zu tilgen ist. Das erkennende Gericht nimmt insoweit Bezug auf diverse Entscheidungen, die § 42a SGB II mit überzeugenden Gründen verfassungskonform so auslegen, dass Darlehen nach § 24 oder 22 SGB II nur mit maximal 10% des Regelbedarfs aufgerechnet werden dürfen.

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Ihr Rechtsanwalt Stephan Felsmann aus Kiel
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Ein Gedanke zu “Darlehn wegen Stromschulden vom Jobcenter bei Stromsperre – eigentlich immer”

  1. Sehr geehrter Herr Felsmann!

    Ich habe ein großes Problem , das etwas kompliziert ist. Ich wohne mit meinem Sohn in Mönchengladbach. Mein Sohn steht im Mietvertrag ich habe aber da ich ja mit in der Wohnung wohne und mein Sohn Auszubildender ist, den Strom und Gas auf mich angemeldet. Als wir da eingezogen sind, lief der Strom aber erstmal auf meinen Sohn, der neue Anbieter muss dann vergessen haben das zu kündigen, Problem das wir jetzt haben, man hat uns am 26.01.2016 das gas gesperrt obwohl ich woanders bin. Nur hat sich jetzt herausgestellt, das der neue Netzbetreiber eine Falsche Zählernummer hatte und ich die ganze Zeit zwar bezahlt habe aber für einen anderen. Ich bin Nieren krank und bei den Temperaturen ist es in der Wohnung nicht auszuhalten, auch kann man sich nicht richtig waschen und nicht kochen, wir haben uns schon an das Jobcenter gewand, da ich von denen auch noch eine Aufstockung bekomme da ich selbständig bin und noch nicht soviel Einnahmen habe und mein Sohn Auszubildender ist. Nun will die NEW was unser Grundversorger ist 600€ für das Gas zzgl. 980 € Jahresschlussrechnung vorher würden sie das Gas nicht wieder auf machen. Das Jobcenter hat jedoch das Darlehn abgelehnt mit der Begründung, warum ich nicht in der Lage wäre von meinen Einnahmen (knapp 500€) die Gasschulden zu begleichen. Des weiteren hat mein Sohn heute von der NEW eine Mitteilung bekommen das sie uns die Gasgrundversorgung komplett kündigen, können die das denn, das ist doch der Grundversorger und wie soll ich denn dann künftig Gas beziehen. Desweiteren ist es so, das es in der Wohnung schon anfängt feucht zu werden und die elektrischen Geräte kaputt gehen. Da ich mit der Gesundheit und den Nerven am Ende bin hätte ich gerne mal einen Rat was ich sonst noch tun kann um die derzeitige Situation erstmal zu ändern. Wenn das Gas weiterhin gesperrt bleibt wird mir eine Dialyse wohl nicht erspart bleiben. Ich bin total verzweifelt und hoffe auf einen Rat von ihnen.

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