Hartz 4 Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts


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Das Bayerische Landessozialgericht – L 7 AS 191/12 – hat mit Urteil vom 10.07.2013 entschieden, dass einem Vater, der seine Tochter bei der Mutter abholt, die dafür entstehenden Kosten als Mehrbedarf  anerkannt werden müssen. Das Jobcenter hatte dem Vater nur einen Teil der Kosten zugestanden und 10 % abgezogen. Das Landessozialgericht hat zwar auch nicht die vollen Fahrtkosten mit dem PKW gewährt, aber immerhin die Kosten für eine Bahnfahrt zweiter Klasse ohne Abzüge.

Das Landessozialgericht hat auch angedeutet, dass dem Vater noch weitere Kosten der Unterkunft zugestanden hätten.

Fazit:

Vätern oder Müttern, die in Ausübung des Umgangsrechts regelmäßig ihre Kinder bei sich haben, die in der übrigen Zeit bei dem anderen Elternteil wohnen, können folgende zusätzliche Leistungen zustehen:

  • Sozialgeld (Regelsatz) anteilig für die Tage, an denen das Kind bei ihnen ist
  • Kosten der Unterkunft – ggf für eine weitere Person, da das Elternteil eine größere Wohnung vorhalten muss
  • Fahrtkosten – für Hin- und Rückfahrt des Kindes und des Elternteiles, der fährt (siehe oben)

Hat Sie das Jobcenter korrekt beraten?

Das Landessozialgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet (bearbeitet und gekürzt):

Anspruch auf Berücksichtigung von Mehrbedarf wegen Härtefall

Der Kläger hat Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen eines Härtefalls nach § 21 Abs. 6 SGB II. Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Nicht unerhebliche Kosten der Ausübung des Umgangsrechts sind das typische Beispiel eines derartigen Bedarfs. Hier sind die Fahrtkosten ein besonderer Bedarf, weil sie im Vergleich zur Bemessung des Regelbedarfs eine atypische Bedarfslage darstellen. Die Kosten sind auch laufend, weil der Kläger seine Tochter in der Regel alle zwei Wochen in D-Stadt abholte und wieder zurück brachte.

Der Bedarf ist aber nur insoweit unabweisbar, als zumutbare Einsparmöglichkeiten in Anspruch genommen werden. Dies ist eine Frage des Einzelfalls. Die Benutzung eines PKW und eine Orientierung an den Vorgaben der Alg II-V  ist dabei nicht vorgezeichnet.

Unabweisbar war hier lediglich die preiswerteste Fahrkarte im öffentlichen Personennahverkehr, konkret je Hin- und Rückfahrt ein Bayern-Ticket der 2. Klasse für eine Person. Diese Fahrkarte kostete in der strittigen Zeit 20,- Euro. Sie konnte Montag bis Freitag ab 9:00 Uhr und an Samstagen und Sonntagen ganztags genutzt werden. Die Benutzung der Züge war dem Kläger und seiner Tochter auch angesichts der Fahrzeiten zumutbar.

Obwohl die Tochter ab der zweiten Fahrt 11 Jahre alt war und es vorstellbar erscheint, dass sie nach fünf bis sechs gemeinsamen Fahrten trotz Umsteigens in U. auch alleine hätte fahren können, war das tatsächlich nicht möglich, weil die Mutter von L. dies strikt ablehnte.

Als Fahrzeiten ergaben sich in der strittigen Zeit nach Auskunft der Bayerischen Eisenbahngesellschaft für Fahrten in Begleitung der Tochter zwischen knapp zwei Stunden und gut zweieinhalb Stunden. Die Fahrten, die der Kläger ohne seine Tochter zurücklegen musste (am Freitag nach D-Stadt und sonntags zurück nach D.) lagen bei zweieinhalb Stunden. Dass der Kläger die Strecken mit dem Pkw schneller bewältigt hätte (laut Routenplaner und Angaben des Klägers etwa 1,5 Stunden einfach), ist dagegen nicht entscheidend. Soweit der Kläger bei Fahrten zur Abholung seiner Tochter in D-Stadt am Freitag oder auf dem Rückweg nach D. am Sonntag in U. Wartezeiten hatte, war die Tochter davon ohnehin nicht betroffen. Dagegen wurde während der Fahrten zusammen mit der Tochter das Umgangsrecht bereits ausgeübt und auch die längeren Wartezeiten bei der gemeinsamen Fahrt von D-Stadt nach D. sind der 11-jährigen Tochter im Zusammensein mit ihrem Vater zumutbar. Für die sonntägliche Rückfahrt von D. nach D-Stadt gab es zwei geeignete günstige Zugverbindungen. Es geht um den unabweisbaren Bedarf im Rahmen existenzsichernder Leistungen, nicht um möglichst komfortables und zeitsparendes Reisen.

Weitere Einsparmöglichkeiten sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, wieso der Beklagte hier 10 % des Regelbedarfs abziehen will. Der Kläger kann keine Einsparungen bei seinem sonstigen Mobilitätsbedarf vornehmen und es besteht kein Zusammenhang mit anderen Bedarfspositionen. Eine gemeinsame Mehrpersonenfahrkarte für den Kläger und seine Tochter mit Kostenteilung war nicht möglich, weil die Beförderungsbedingungen für das Bayernticket das spätere Zusteigen von Mitreisenden erst ab 10.06.2012 wieder gestattete.

Der Kläger hatte demnach für jeden Tag, an dem er seine Tochter abholte oder zurückbrachte Anspruch auf Übernahme von 20,- Euro für ein Bayern-Ticket.

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3 Gedanken zu “Hartz 4 Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts”

  1. Guten Tag,
    meine 10 jährige Tochter lebt bei ihrem spanischen Vater in Spanien. Ich, Mutter, deutsch, Hartz IV Empfängerin, lebe in Kiel, und habe mit dem Vater eine mündliche Vereinbarung, dass die Tochter in den Ferien zu Weihnachten 7 Tage, Ostern 14 Tage und Sommer 6 Wochen zu mir nach Deutschland kommt. Da der Vater komplett alle Kosten für die Tochter übernimmt liegt es an mir die Kosten für Flug/Bus (Tochter würde wegen Kosteneinsparung auch alleine fliegen) nach Deutschland sowie Unterhalt wärend des Aufenthaltes aufzukommen. Da ich das nicht leisten kann habe ich meine Tochter seit 9 Monaten nicht sehen können. Wie kann ich in diesem Fall einen schriftlichen Antrag beim Jobcenter auf Übernahme der Kosten stellen? Mündlich beim Jobcenter vor Ort sagte man mir man wüsste von nichts bzgl. Ausland. Für eine zeitnahe Information bin ich sehr dankbar, denn ende Juni soll meine Tochter Victoria theoretisch und bestenfalls praktisch kommen!!!
    Mit freundlichen Grüssen
    Manuela Ariane Pillasch

    • Zeitnah hat leider nicht geklappt. Aber trotzdem … stellen Sie einen konkreten Antrag mit Flugdaten und Kosten und beantragen sie gleich einen Vorschuss mit.

  2. Wann wäre denn zb. ein Verweis auf Öffentliche Verkehrsmittel nicht zumutbar bzw. was zählt denn eig. unter zumutbar?
    Ich fahre mit dem Auto ca. 3:20h und soll nun auf den Regionalverkehr…(ICE ist wohl nicht okay) ausweichen, jetzt beträgt die Fahrzeit jedoch 6:10h.
    Das ganze verkürzt meinen Umgang jetzt um ca. 6h…

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