Hessisches Landessozialgericht: Hartz IV-Regelsätze sind verfassungswidrig


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Das Hessische Landessozialgericht – L 6 AS 336/07 – hatte zuvor vier Gutachten eingeholt. Nach deren Auswertung hielten die Richter zumindest die Regelsätze für Kinder für nicht ausreichend.

Das Gericht hat dem Bundesverfassungsgericht nun den Regelsatz für Familien zur Prüfung vorgelegt, da die derzeitigen Hartz IV-Regelleistungen nicht das soziokulturelle Existenzminimum von Familien decken und daher gegen das Grundgesetz verstoßen.

Die Entscheidung des LSG wird eine Flut von Widersprüchen gegen den Hartz IV Regelsatz auslösen.

Tipp:
Familien mit Kindern ist zu raten gegen ALG II-Bescheide, die noch nicht bestandskräftig geworden sind, Widerspruch einzulegen. Ob das auch für Erwachsene sinnvoll ist lässt sich erst nach Veröffentlichung des Beschlusses beurteilen.

Hintergrund ist, dass sich die Jobcenter schon bei Überprüfungsanträgen zum Thema Anrechnung von Krankenhausverpflegung darauf berufen haben, dass nach § 330 Abs. 1 SGB III für einen durch Rechtsprechung geklärten Sachverhalt ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X nur möglich ist für den Zeitraum nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) oder ab Bestehen einer „ständigen Rechtsprechung“ (§ 330 Abs. 1 SGB III).

Über eventuelle Erfolgsaussichten sollten Sie sich durch einen im Sozialrecht erfahrenen Rechtsanwalt beraten lassen. Die Beratung ist in den meisten Fällen über Beratungshilfe für Sie kostenfrei.

Lesen Sie dazu die Pressemitteilung des Hessischen Landessozialgerichts 30/08:

Regelsätze verfassungswidrig?


Hessisches Landessozialgericht legt dem Bundesverfassungsgericht Hartz IV-Verfahren vor

Die Hartz IV-Regelleistungen decken nicht das soziokulturelle Existenzminimum von Familien und verstoßen daher gegen das Grundgesetz. Zu diesem Ergebnis kam der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts. Nach mündlicher Verhandlung beschloss er heute, ein entsprechendes Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Geklagt hat eine Familie aus dem Werra-Meisner-Kreis, die als Bedarfsgemeinschaft Arbeitslosengeld II bezieht. Für die Eltern wurde jeweils der Regelsatz in Höhe von 311 € und für die 1994 geborene Tochter in Höhe von 207 € bewilligt. Nach Ansicht der Kläger ist damit ihr existenzminimaler Bedarf nicht gedeckt. Mit ihrem Antrag auf weitere 133 € für jedes Elternteil und 89 € für die Tochter blieben sie im Verwaltungsverfahren sowie vor dem Sozialgericht erfolglos. Die zuerkannten Leistungen seien rechtmäßig. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz liege nicht vor. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das dem Gesetzgeber bei der Bestimmung der Regelleistungen einen weiten Gestaltungsspielraum zugebilligt hat.

Nach Einholung von vier Gutachten zur Bedarfsbemessung beanstandeten die Darmstädter Richter hingegen, dass der besondere Bedarf von Familien mit Kindern durch die Regelleistungen nicht berücksichtigt werde. Für die Begrenzung der Leistung für Kinder auf 60 % des Regelsatzes eines Erwachsenen fehle es an einer hinreichenden Begründung. Nicht ersichtlich sei auch, weshalb 14jährige Kinder trotz höherem Bedarf die gleiche Regelleistung erhalten wie Neugeborene. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 1998 im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung der Steuerfreibeträge den damals geltenden Regelsatz für Kinder beanstandet, weil dieser die außerschulischen Bildungsbedarfe von Kindern nicht berücksichtige. Diese höchstrichterliche Entscheidung sei, so das Landessozialgericht, bei der Hartz-IV-Gesetzgebung nicht beachtet worden. Für die steuerrechtliche Verschonungsgrenze und das sozialrechtliche Existenzminimum seien aber die gleichen Maßstäbe geboten. Daher seien die Regelsätze weder mit der Menschenwürde, dem Gleichheitsgebot noch dem sozialen Rechtsstaat vereinbar.

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