VG Bremen: Keine Absenkung der Leistungen wegen Aufgabe eines Ein- Euro- Jobs


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Das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen – S3 V 1605/08 hat beschlossen, dass ein Ein-Euro-Jobber der bei der Arbeit gemobbt wird seinen Job aufgeben darf ohne, dass der Grundsicherungsträger die Leistung kürzen darf.

Sachverhalt:
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30% der Regelleistung wegen Aufgabe einer Arbeitsgelegenheit. Sie beruft sich auf Mobbing bei der
Arbeitsgelegenheit und darauf, dass sie die Arbeitsgelegenheit aufgab, um eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen.
Die 1973 geborene Antragstellerin steht im laufenden Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin. Mit Eingliederungsvereinbarung vom 20. September 2007 verpflichtete sie sich u. a. dazu,
an einer geförderten Beschäftigung teilzunehmen. Mit Bescheid ebenfalls vom 20. September 2007 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin in eine Beschäftigung als Küchenhilfe bei
der Fraueninitiative …..für die Dauer von 7 Stunden je Arbeitstag in der Zeit vom 21. September bis zum 31. Dezember 2007 ein (Blatt ohne Blattierung in der Integrationsakte der Antragsgegnerin).
Mit Bescheid vom 28. September 2007 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für die Zeit vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2008 Leistungen in Höhe von 729,93 Euro (Bl. 147 der Verwaltungsakte). Am 14. November 2007 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie seit dem 7. November 2007 eine geringfügige Tätigkeit als Aushilfskassiererin bei der … gefunden habe und überreichte ihren Arbeitsvertrag. Mit Schreiben vom 29. November 2007 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin wegen eines Verstoßes gegen die Eingliederungsvereinbarung vom 20. September 2007 an. Die Antragstellerin habe die Arbeitsgelegenheit mit der Begründung aufgegeben, eine Arbeit aufzunehmen.
Sie habe jedoch bisher nicht nachgewiesen, dass es sich um eine sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handele. Die Antragsgegnerin erließ am 6. Februar 2008
den streitigen Absenkungsbescheid. Danach wird das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. März bis zum 31. Mai 2008 monatlich um 30% der Regelleistung abgesenkt. Die Absenkung
umfasse maximal 104,00 Euro. (…)

Entscheidungsgründe:
(…) Nach summarischer Prüfung bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides.
1. Die ernstlichen Zweifel resultieren zum einen daraus, dass das Gericht nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage einen wichtigen Grund für den Abbruch der Arbeitsgelegenheit
in der Aufnahme einer Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt erblickt. Die hier vorliegende Tätigkeit bei … war zwar zunächst eine geringfügige Tätigkeit. Der Antragstellerin war jedoch von Arbeitgeberseite Hoffnung auf eine Teilzeittätigkeit gemacht worden. Dies hat die Antragstellerin nicht erst im Eilverfahren vorgetragen. Aus der Stellungnahme der Antragsgegnerin
folgt vielmehr, dass die Antragstellerin dem Integrationsteam von ihren diesbezüglichen Hoffnungen bereits Ende 2007 berichtet hatte („sozialversicherungspflichtige Tätigkeit“).
Bei einer solchen Sachlage kann ein Hilfeempfänger nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Arbeitsgelegenheit abbrechen. An der Fortführung der Arbeitsgelegenheit
kann auch der Leistungsträger kein ernsthaftes Interesse haben, wenn die Aussicht besteht, dass statt dessen eventuell ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingegangen wird. Dies gilt zumindest dann, wenn – wie hier – die Arbeitsgelegenheit keine erkennbare qualifizierende Funktion hat (Küchenhilfe).

2. Unabhängig davon bestehen auch deshalb ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides, weil ein wichtiger Grund für die Beendigung der Arbeitsgelegenheit in der Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Antragstellerin liegen könnte. Die Antragstellerin leidet nach den der Antragsgegnerin und dem Gericht vorliegenden ärztlichen Attesten und Stellungnahmen an ernsthaften psychischen Erkrankungen, die offenbar durch die Arbeitsgelegenheit noch verschlimmert worden sind. So hat die Antragstellerin erklärt, sie habe befürchten müssen, wegen des von ihr als Mobbing erlebten Verhaltens der Kolleginnen stationär behandelt werden zu müssen. Ob das Verhalten der Kolleginnen tatsächlich als
Mobbing zu bewerten ist, dürfte unerheblich sein. Entscheidend ist vielmehr, dass die Antragstellerin durch eine Fortführung der Arbeitsgelegenheit eine weitere Verschlimmerung ihrer
Leiden befürchten musste und tatsächlich befürchtete.

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